Emotionale Armut breitet sich als Vorbild für die Jugend aus.
In einem Kommentar von Wahr-Sager (26.8.07 19:37) habe ich auf kewil.myblog.de mir bislang unbekannte Sprüche entdeckt, die wie folgt eingeleitet wurden:
„Folgende ANTIFA-Sprüche und die Tatsache, dass diese selbstgerechten „Antifaschisten“ Rassismus nur als Einbahnstraße sehen und nur ihre eigenen Ansichten akzeptieren, sprechen aber dagegen:“…
dann kommt eine Aufzählung von den Parolen, von denen hier eine exemplarisch wieder gegeben wird:
...“-Ich weiss nix, ich kann nix – gebt mir eine Uniform!-…
Es reicht allein schon der Verdacht, ein Nazi zu sein, um Gewalt von Seiten Linksfaschisten, was „Antifaschisten“ ja sind, zu rechtfertigen.“ (Ende von Wahr-Sager, 26.8.07 19:37)Ziemlich üble und krankmachende Parolen, die in jeder Bewegung, von rechts oder links entstehen können – die Feindbilder scheinen Austauschbar wie die Reime zu sein.
Und zum Skandieren muss es sich wohl immer reimen, sonst fühlt man sich in der Gruppe nicht wohl – zusammen schreien und zusammen laufen, schmeißen und jagen, den „Feind“ suchen – das scheint ein Gefühl der „Geborgenheit“ zu geben.
Und dann lese ich auf Süddeutsche.de, dass offensichtlich im Morgengrauen des Türkischen Beitrittes zu EU in der Türkei begeistert „Mein Kampf“ gelesen wird.
„Adolf Hitlers „Mein Kampf“ darf in der Türkei ab sofort nicht mehr gedruckt oder verkauft werden. Der Freistaat Bayern als Inhaber der Rechte an dem Buch habe das Verbot vor türkischen Gerichten durchgesetzt, meldete der Sender CNN-Türk am Donnerstag. Eine Bestätigung seitens der Behörden lag zunächst nicht vor. „Mein Kampf“ war in den vergangenen Jahren in der Türkei zum Bestseller geworden, gleich mehrere Verlage gaben das Buch heraus. Allerdings hatten die Herausgeber keine Druckgenehmigung. Auch habe Bayern als Inhaber der Rechte kein Geld von den Verlagen erhalten, meldete CNN-Türk. Der Freistaat sei daraufhin vor Gericht gezogen.“
Dabei war es mir gar nicht bewusst, dass der Freistaat Bayern mit „Mein Kampf“ noch Geld verdient. Bislang bin ich davon ausgegangen, dass es sich dabei um verfassungswidrige Schriftstücke handelt, die nicht außer zu Studienzwecken, verbreitet werden sollen. In der Türkei scheint es aber gerade eine Menge nach der deutschen Geschichte wissbegierigen Studenten zu geben.
Mir scheint die Wirklichkeit immer von neuem auf dem Kopf gestellt – kaum denkt man das eine, schon wird das andere doch gehandelt. Von höchsten Stellen.
-Ich weiss nix, ich kann nix – gebt mir eine Uniform!-
In der Uniformität einer Uniform scheint es den hilflosen unter uns am besten zu gefallen – die existentiellen Ängste sind vorübergehend weg, die Fragen nach dem Selbstwert werden zu Gunsten einer Ideologie auf den Nagel gehängt und in der Distanz der Uniform versteckt darf man auch seine Aggressionen ausleben.
Dieser Umstand ist in allen Ideologien gleich. Egal welcher Art, welche Richtung, welche Religion, Schulbildung, Kultur – spielt alles keine Rolle – am Rand des Gemeinwesens zu leben, ohne berechtigte Aussicht auf Integration und Teilhabe ist für die Person eine Bedrohung. Die Angst, nicht mehr dazu zu gehören ist kaum auszuhalten. Die Sonntagsprüche der Parteien können kaum ernst genommen werden. Sie vermitteln keine Orientierung für die Zukunft.
Dann kommt der Deal. Die LBBW übernimmt die Sachsen Landesbank. Der Landesvater Oettinger stolz, dass er im Ländle eine starke Bank hat, übernimmt die mediale Samariter Rolle – und niemand denkt mehr daran, dass es eine unverantwortliche Veruntreuung von anvertrauten Geldern gewesen ist, die völlig unverständlich und unlauter in den USA-Immobilien-Monopoly verspielt wurden. Milliarden hoch.
Also eine Glanzleistung, der Jugend und den Armen dieses Vorbild an Moral, Integrität und Verlässlichkeit vorzuleben. Bislang hat man im Allgemeinen die Banken mit ihrem Schlips und Kragen für absolut verlässlich gehalten. Seitdem sie aber von Spekulanten leben und der Gier nach Spielgeld erlegen sind, hat sich dieses Bild wohl auch ins Gegenteil verwandelt.
Wahrscheinlich werden nun Mittelständler und kleine Handwerker darunter leiden müssen, wenn sie Kredite für ihr Alltagsgeschäft brauchen werden – dann schlägt der Bänker in der Schlips- und Kragen-Uniform erbarmungslos nach Basel II (verschärft) zu, nur um sich und den anderen zu beweisen: wir sind wieder auf dem richtigen Weg, vergesst doch die „kleine“ Entgleisung, Bänker sind auch nur Menschen mit Schwächen und Leidenschaften.
Nur Schade, dass sie dieses nicht den Anderen zugestehen.
Auf jeden Fall sind die Nachrichten und Beobachtungen allesamt so unterschiedlich, so dass die Frage notwendig ist: was haben alle diese Ereignisse eigentlich gemeinsam.
Meiner Meinung nach zeigen diese Ereignisse auf eine emotionale Armut, die sich in unserer Gesellschaft bereits mehr verbreitet hat, als man es gerne wahr haben will. Die „Glücks-Schreie“ bei gelungenen Konsum-Anschaffungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es mit Ersatzhandlungen zu tun haben. Anstatt sich um eine nachhaltige Zukunft Gedanken zu machen und dafür auch etwas zu tun, wird eingekauft. Das Konsumverhalten wird monatlich gemessen und veröffentlicht, damit wir wissen, ob wir in dem wirtschaftlichen Strom schwimmen oder untergehen. Für emotionale Armut gibt es bislang keine Beobachtung – sie wird einfach nicht wahrgenommen – oder besser: verdrängt!? Ignoriert, weil sie sich so schön in der Konsumwelt ausbeuten lässt – es werden reichlich Ersatzemotionen zum Verkauf angeboten – in Dingen, die keiner um zu überleben braucht. Den Diskussionen über Klimawandel usw. nachgespürt geht es aber auch ums Überleben. Nur das sollen wohl die Anderen besorgen, die gerade nichts einkaufen. Beschaffungsdemokratie.
Schöne Aussichten für die Demokratie. Bevor wir noch mehr Uniformen aller Art verteilen, sollten wir umdenken – Freiheit des Menschen muss unantastbar bleiben. Von jedem Menschen ohne Ausnahme. Nur die, die sich nicht daran halten und sich Ausnahmen herausnehmen, auf muss eine demokratisches Gemeinwesen selbstbewusst und sicher reagieren. Das entscheidende ist eine demokratische Verhaltensweise mit sozialen Kompetenzen und menschlichen emotionalen Innenleben. Frei atmen, Luft für alle. Das braucht jeder bei jeder Anstrengung.
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