Kampf der Fraktionen in Chinas Regierung

Den Inlandschinesen sollte eigentlich ab sofort möglich sein, auch in Hongkong zu investieren. Dieses Pilot-Programm nennt sich übrigens QDRI, was für Qualified Domestic Retail Investor (Qualifizierter inländischer Kleinanleger). Erfahrene Privatanleger sollten also die Erlaubnis erhalten, in Hongkong zu investieren.

Aber ganz plötzlich liefen Meldungen über die Ticker, das ganze werde nun doch erst einmal gestoppt. Der Broker Dao Heng Securities und die Nachrichtenagentur Dow Jones berichteten, das Programm werde definitiv aufgrund von finanziellen Risiken verschoben. Einige Medien wie “Ming Pao” sprachen von Mitte September, die “Oriental Daily” vermutete, das Programm werde frühestens im kommenden Jahr starten.

Die Umsetzung des Vorhabens ist zunächst einmal gescheitert. Sprich keine einzige Hongkonger Aktie hat den Weg ins Depot eines Festlandchinesen geschafft. Die Gründe sind vielfältig:

1. Es wiehert der Amtsschimmel: Die rechtlichen Voraussetzungen – dazu zählen die notwendigen Änderungen bei den Vorschriften zu den Kapitalverkehrs-Kontrollen – sind noch nicht gegeben. Außerdem ist noch unklar, wie Privatinvestoren den Yuan in Hongkong Dollar tauschen sollen. Hier scheint es neben den formalen auch technische Probleme zu geben.


2. Ein weiterer Anlass für die Querelen ist das andere Investitionsprogramm der Regierung, das Qualified Domestic Institutional Investors (QDII). Dies richtet sich an die Profi-Anleger, wie Brokerhäuser, die Brokerabteilungen der Banken sowie Versicherungen. Die Kreditinstitute dürfen bekanntlich seit einigen Monaten ihre Gelder in begrenztem Umfang in Hongkong scheffeln. Diese Institutionellen, die gerade an der Auflage der entsprechenden Fonds für Privatanleger arbeiten, sind von der möglichen neuen Retail-Konkurrenz natürlich nicht besonders begeistert. Die Branche hat deswegen intensiv Lobbyarbeit bei den Verantwortlichen der Wertpapieraufsicht betrieben und offensichtlich einen Aufschub erwirkt.

Offensichtlich bekämpfen sich in der Regierung zwei Fraktionen. Wilde Spekulationen machten in den vergangenen Tagen in der chinesischen Presse die Runde, dass innerhalb der Führung die Fetzen fliegen. Das könnte stimmen: Denn die staatlichen Monopol-Konzerne, die nur A-Aktien anbieten, regionale Partei-Bonzen sowie Gouverneure, die an diesen Konzernen beteiligt sind, haben natürlich ein Interesse daran, dass die Bewertung ihrer A-Aktien hoch bleibt. Auch lechzt das Volk nach hohen Inlands-Kursen, denn es will durch den Aktienhandel reich werden und keine Rückschläge hinnehmen. China hat sich mittlerweile in ein Land von Zockern verwandelt. In einem Staat, der sich offiziell noch immer als kommunistisch bezeichnet, feiert der Kapitalismus wahre Feste.

Das gesamtwirtschaftliche Interesse spricht klar für eine Öffnung des Marktes. Und das nicht nur, weil es im Interesse der chinesischen Konzerne ist, die auch in Hongkong gelistet sind. Sie können sich denken, dass diese ein Umschichten von Liquidität in ihre H-Aktien sehr befürworten werden. Nein, es ist vor allem das gesamtwirtschaftliche Interesse, das für eine Öffnung des Marktes spricht. Denn es ist Fakt, dass die chinesischen Börsen Shanghai und Shenzhen geradezu vor Liquidität überschäumen. Peking hat kein Interesse daran, dass sich die Inflation weiter anheizt und die Ersparnisse auffrisst.

Noch weniger liegt der Regierung daran, dass sich am heimischen Markt für A-Aktien eine enorme Blase bildet. Denn wenn die platzt und Millionen von Anlegern ihr Erspartes verlieren, dann könnte die Volksseele überkochen. Und die Demonstration und das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens vor fast zwei Jahrzehnten stecken den Parteikadern noch in den Knochen. Insofern sucht Peking nach einem Weg, das Kapital in geordneten Bahnen aus dem Land heraus zu lassen und so peu a peu den Druck aus dem Kessel zu nehmen.

Und das ist notwendig. Die Aktien in China sind zum Teil 300% teurer als die Zwillings-Aktien in der ehemaligen britischen Kronkolonie. Werden wir einmal konkret: In China zahlen Sie für den gesamten Aktienmarkt, den Shanghai Composite, derzeit den 52-fachen Gewinn des laufenden Jahres. Das ist definitiv zuviel. In Hongkong hingegen wird der Hang Seng Index auch nach den deutlichen Kurssteigerungen der vergangenen Wochen noch mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 16 gehandelt. Der H-Index, der die in Hongkong gelisteten Chinaaktien abbildet, bringt es auf ein KGV von 20.

Die Probleme sind lösbar und kein verantwortlicher Politiker will von den gemachten Zusagen abrücken. Die Verzögerungen sollen sich nach meinen Informationen in der Größenordnung von ein bis zwei Monaten bewegen. Und dann wird es richtig rund gehen: Zunächst einmal sollen Kunden der „Bank of China“ in den Städten Tianjin, Shanghai und Shenzhen Zugang zu den begehrten Papieren erhalten. Schritt für Schritt soll das Programm dann auch auf andere Regionen ausgeweitet werden.(Good-Mornig-Asia)

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