Steuersenkung durch Steuerreform – wo bleibt die? Harz IV am Sonntag, ARD-Presseclub und Steinbrück

Wenn man gerade in einer Apollo-Kapsel unterwegs wäre, könnte man laut schreien: „Huston, wir haben ein Problem!“
Fragt sich nur, ob es jemand hören würde. Auf jeden Fall kann sich der Zeitgenosse dem Eindruck nicht entziehen, dass bei all den geordneten Diskussionen alle durcheinander reden. Der Zeitgenosse schaut und hört zu, manchmal liest er sogar eine Zeitung und versteht nicht, warum er NICHTS versteht.
Beim näherem Hinsehen könnte man sich die Antwort aus Huston eher vorstellen: „Wir haben sie verstanden Apollo, aber wir haben viele Kapseln oben fliegen, wir melden uns, wenn ihr Problem an der Reihe ist.“
So oder ähnlich; auf jeden Fall wird wohl das NICHTS-Verstehen trotz geordneten Diskussionen daran liegen, dass jeder Teilnehmer ein anderes Ziel verfolgt – eine andere Kapsel in seinem „Kosmos“ unterwegs zu seinem unbekannten Stern fliegen hat.
Genau, diese Ziellosigkeit, Mangel an Definition von gemeinsamen Zielen und das Schielen nach alltagspolitischen Vorteilen (Wahlen z.B.) sind es, die eine Problemlösungsstrategie verhindern. Wenn man die nachfolgende Meldung auf ZDFheute.de liest, dann scheint es wichtig zu sein, dass alle Recht haben und es auch behalten – zumindest bis zu der nächsten Wahl. Nach den Wahlen kann sich die Nation wieder getrost der Diskussion über Wahllügen zuwenden. Problem gelöst hat sie dann immer noch nicht, aber für belanglose Behandlung von wichtigen Themen bei den exklusiven deutschen Stammtischen auf jeden Fall gesorgt.

(ZDFheute.de) „…Der stellvertretende SPD-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Steinbrück warnte in der „Bild am Sonntag“ seine Partei vor Korrekturen an der Agenda 2010. Mit Änderungen würde sich die Partei gleich doppelt bestrafen. „Bei der Durchsetzung der Agenda haben wir viele Schmerzen erlebt und Wahlen verloren. Und jetzt, wo die Agenda positiv wirkt, sagen wir: Das bringt alles nichts?“, sagte Steinbrück.

Beck und Müntefering – beide im Recht
Im Streit um die längere Auszahlung des Arbeitslosengeldes für Ältere zeigte er Verständnis für SPD-Chef Kurt Beck. Viele Menschen lebten in der subjektiven Angst vor dem Absturz in Hartz IV. Beck dürfe da sagen, das könne ihm nicht egal sein.
Zugleich stellte er sich an die Seite von Arbeitsminister Franz Müntefering, dem Gegenspieler Becks in der Streitfrage. Für Müntefering und ihn sei entscheidend, nicht hinter die Agenda 2010 zurückzufallen. „Und wir müssen auch von den Menschen etwas einfordern“, fügte Steinbrück hinzu. Wichtiger als Menschen in der Arbeitslosigkeit zu finanzieren sei es, ihre Aktivierung für den Arbeitsmarkt zu unterstützen….“ (ZDFheute.de)

Und was gibt es für Probleme? Vielleicht zählen wir sie erstmal auf und versuchen in den nächsten Tagen, Monaten dem Systemverständnis näher zu kommen. Denn es gibt ein System, das von diesen Problemen gebildet wird.

Herbstgutachten der Wirtschaftssachverständigen: keine Panik, der Aufschwung sei im Gang uns so schnell nicht zu stören, auch wenn der in Fahrt etwas abnehmen werde. Nur am Harz IV bitte nichts ändern, das würde alte Probleme wieder reaktivieren, von denen wir durch die Agenda 2010 gerade eben gerettet worden wären.
SPD-Vorsitzende Beck: wirft einen Hut in den Wählerring, in dem er eine sozialere Anpassung von Harz IV fordert. Er rechnet wohl fest damit, dass seine Umfragetiefs eine Wende nehmen könnten, wenn er die gefühlte Ungerechtigkeit bei etlichen Mitbürgern emotional anstachelt.
Arbeitsminister und Vertreter der Bundeskanzlerin, Herr Müntefering: versucht das Aufweichen der Agenda 2010 zu verhindern, stellt sich dabei aber ungeschickt an und lässt den „Freibeutern des Aufschwungs“ freien Raum, weil es sich wohl noch nicht so sicher ist, wie er die nächsten Wahlen angehen wolle und vielleicht auch ein wenig darauf spekuliert, dass sich Herr Beck die Finger verbrenne und die SPD dann nach „Müntefering!“ schreien werde.
Die Gewinne der Agentur für Arbeit: alle fragen sich, was machen wir mit denen
Das höhere Steueraufkommen in Folge des Aufschwungs: vor allem zur Reduzierung der Schulden benutzen, bloß keine neuen Ausgaben, sagen die meisten (Das Bundesfinanzministerium (BMF) gab in seinem Monatsbericht einen weiteren Zuwachs beim Steueraufkommen im September 2007 bekannt. So lagen die Steuereinnahmen von Bund und Ländern mit 48,42 Mrd. Euro um 10,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im Einzelnen kletterten die Steuereinnahmen des Bundes um 12,3 Prozent auf 22,79 Mrd. Euro, während die Steuern für die Länder gegenüber September 2006 um 9,7 Prozent auf 20,73 Mrd. Euro zulegten. Die Einnahmen aus den gemeinschaftlichen Steuern zeigten ein Plus von 12,9 Prozent auf 39,08 Mrd. Euro. In den ersten neun Monaten 2007 wuchsen die Einnahmen um 12,3 Prozent auf 356,46 Mrd. Euro gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode. Im Neun-Monats-Zeitraum stiegen die Steuereinnahmen des Bundes um 15,9 Prozent auf 164,52 Mrd. Euro und die Steuern für die Länder um 10,6 Prozent auf 156,15 Mrd. Euro. Die gemeinschaftlichen Steuern zeigten im Zeitraum von Januar bis September einen Anstieg von 14,9 Prozent auf 277,15 Mrd. Euro.)
Immobilien-Krise aus den USA: tausende von Häuslerbauern in den USA können nicht ihre schlecht abgesicherten Hypotheken zahlen. Die Banken und Institute, die diese „schlechten Kredite“ jedem nach geschmissen haben, sind auch außerhalb von USA ins Strudeln gekommen, manche insolvent von der Finanzfläche verschwunden
Auswirkungen der Immobilien-Krise: weltweit kommen die Finanzmärkte in den Sog der Krise, die Notenbanken pumpen an die 400 Milliarden Euro in den Kreislauf, damit die Wirtschaft am Leben erhalten werden kann.
Die Geldmenge: die schon vorher massiv ausgeweitete Geldmenge wird mit den Stützungsmaßnahmen der Notenbanken nochmals mächtig ausgeweitet, wir haben also mehr Geld, das weil es mehr geworden ist, weniger Wert sein werde – wie alles, was mehr am Markt vorhanden ist – mehr Äpfel kosten weniger, schlechtes Jahr für Äpfel, der Preis pro Apfel steigt.
Ölpreis: steigt und steigt, nur nicht weil es in der gleichen Zeit Mangel an Öl geben würde, sondern weil auch Öl wie andere Resourcen zum Spekulationsobjekt geworden ist – daran verdienen Spekulanten, Stromkonzerne…
Energiepreise sollen steigen: so haben es die 4 Energiekonzerne in Deutschland beschlossen, obwohl nichts, woraus Strom erzeugt wird, teuerer geworden wäre (Öl wird kaum oder gar nicht zu Stromerzeugung benutzt), die ökologische Leistung wird nur soweit betrieben, wie sie den Emissionshandel zum Vorteil der Stromkonzerne ausgehen lassen.
Die Krisen in der Welt werden immer mehr und immer teuerer, gewinnen dabei können nur die, die sich nicht einem Problem stellen, aber an der Krise durch Waffenlieferungen und Zugriff zu Resourcen verdienen – das neueste Problem zeichnet sich in der Türkei ab – immer näher vor unseren Haustür und andere Probleme, Palästina und Irak schwellen vor sich hin
-Usw.
-Usw.

Vielleicht habe ich etwas vergessen. Das wird sicher anderen einfallen, was nicht schlecht wäre. Nun wird in Deutschland diskutiert, ob die HARZ IV Reform zu Gunsten der älteren Arbeitslosen aufgeweicht und das Arbeitslosengeld auf 24 Monate verlängert werden soll. Eine Reaktion auf die Auswirkungen der Harz IV Reform, die nicht wenige in persönlichen Ruin getrieben habe. Wir arbeiten aber nicht dafür, dass Mitglieder des Gemeinwesens in unverschuldeten Ruin kommen – wir arbeiten dafür, dass alle die Chance haben, einen Arbeitsplatz, der sie ernährt, bekommen können.

Insofern ist die Verführung für die über 50-jährigen bei 24-monatigen Arbeitslosengeld nicht gerade unerheblich. Derjenige, der sich verführen lässt oder lassen muss, ist wieder in der Abhängigkeit drin – in die wir alle nicht hinein wollen – weder als Arbeitslose, noch die, welche Arbeit haben, die dann auch in Frage gestellt wäre.

Wir haben noch andere Probleme, vor allem Bildung und Qualifikation. Es entsteht leicht der Eindruck, egal an welcher Stellschraube gedreht wird, entsteht in einer anderen Ecke ein neues Problem. Davor haben die Politiker die stärkste Angst. Warum? Weil sie nicht in längeren Perioden denken wollen – nur in Wahlperioden. Bildung, Wohlstand und Gesundheit werden aber nicht in einer Wahlperiode erreicht. Aber einen neuen Zyklus kann in einer Wahlperiode angestoßen werden.

Der Aufschwung würde bei den Menschen nicht ankommen. Das stimmt auch. Nach allen Steuern, Abgaben und Preissteigerungen für Nahrungsmittel und Verbrauchsmaterial des alltäglichen Leben, bleibt auf dem Tisch in der Wohnstube der Menschen kaum etwas übrig – und das sparen sie für schlechte Zeiten auf. Die Steigerung der Arbeitsplätze in den letzten Monaten scheint auch nicht ganz sicher zu sein – vornehmlich werden es sog. Zuverdienst- und 1 €-Jobs sein, die hierbei die Masse ausmachen.

Es bleibt also die Frage, welche Frosch sitzt dermaßen fest auf der Quelle des Aufschwungs, dass es immer nur unsicherer Rinnsal bleibt. Dabei gibt es genug in der Welt zu verdienen. Und zu Hause auch.

Alle beschriebenen Probleme werden mit der Steuerbelastung schwieriger. Eine Steuerreform durchzuführen, davor haben deutsche Politiker von allen Parteien bislang Angst gehabt, weil sie sich nicht vorstellen können, dass eine mindere Steuerbelastung auf Dauer eine entscheidende Wende mit sich bringt: in der Wohnstube bleibt auf dem Tisch mehr vom verdienten Geld übrig.

Damit aber auch auf dem großen Tisch der Nation mehr Geld übrig für Investitionen. Neue Investitionen bringen Arbeitsplätze, die nichts mit Almosen, sondern mit Innovationen zu tun haben – von diesen Arbeitsplätzen ergibt sich im Zusammenhang der alten, bestehenden ein trotz Steuersenkung höheres Steueraufkommen, mit dem Wiederum die Aufgaben des 21. Jahrhundert besser angepackt werden können.

Wenn wir tatsächlich, sehr geehrter Herr Beck, einen Aufschwung von Dauer haben wollen, dann müssen wir die Gunst der Stunde dazu nutzen, eine Steuerreform mit Vereinfachung des Systems und sofort spürbaren Steuersenkung durchführen. Und nicht mit Verführungen wie mit einer Wurst den Menschen vor der Nase wedeln. Es ist unsozial, die soziale Leistung zu verschieben. Eine Leistung ist aber nur dann sozial, wenn sie allen Mitgliedern des Gemeinwesens auf Dauer eine soziales Leben, ein Leben ohne an der Rand des Lebens gedrückt zu werden, ermöglicht.

Man muss sich auch an eigene Planungen erinnern: es war geplant, Agenda 2010 und dann große Steuerreform. Für diesen Schritt ist die Zeit jetzt reif. Wie war das damals :..“wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“… oder so ähnlich…

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