Pflege und Ärzte frontal

Gefährdete Patienten / Pflege-Alarm im Krankenhaus
„…Hintergrund der dramatischen Lage: Der Europäische Gerichtshof erklärte 2003 die extrem langen Arbeitszeiten deutscher Klinikärzte für unzulässig. Infolgedessen reduzierten die Krankenhäuser die Arbeitsbelastung der Ärzte, indem sie neue Stellen für Mediziner schafften. Weil das kostenneutral nicht möglich war, mussten die Kostensteigerungen beim übrigen Personal aufgefangen werden – im Wesentlichen beim Pflegedienst, so Alfred von Dollen, Geschäftsführer des Friedrich-Ebert-Krankenhauses in Neumünster.

Dabei werden in Zukunft die pflegerischen Leistungen in den Krankenhäusern steigen, erklärt Prof. Wolfgang Greiner, Gesundheitsökonom von der Uni Bielefeld: Die Patienten würden auf Grund der demographischen Entwicklung in Zukunft immer älter. Viele Krankenpfleger fühlen sich von der Politik allein gelassen. Die Politik „redet das schön, was dort aus den Gesundheitsstrukturgesetzen heraus entstanden ist, und geht nicht offen mit dem qualitativen Problem um, das die Krankenhäuser haben“, so von Dollen…“ (ZDF.frontal21)

Soweit frontal21 gestern bei ZDF. Was dort genauso wie auch wo anders nicht angesprochen wurde, dass die Berufsgruppen in einem geschlossenem System aufeinander gehetzt werden. Genauso, wie es eine erklärte Politik der Bundesregierungen seit Anbeginn der Gesundheitsreformen ist, die Krankenhäuser durch Budgetierungen an Rand der Existenz zu bringen – wer überlebt, der kann weiter arbeiten – ist es auch in dem gleichen System erforderlich, Stellen gegeneinander aufzurechnen. Niemand von den Geldgebern macht sich Gedanken darüber, wie viel Personal im Krankenhaus für die Pflege, Betreuung, Diagnostik und Behandlung erforderlich ist. Es soll nur immer weniger sein – das ist allen, die am Geldhahn sitzen bei jedem Fassanstich offensichtlich klar. Diesen systematisierten Wahn erlebt man jährlich bei den Pflegesatzverhandlungen. Die dabei gestellten Fragen seitens der Kassen/Kostenträger lassen daran zweifeln, ob diese überhaupt daran interessiert sind, für die Mitglieder der Solidargemeinschaft vernünftige Krankenhausbedingungen zu schaffen. Die Qualität stellen sie immer in Frage, ihre eigene nicht.

Kassenvertreter und die Ministerialbürokratie denken nur in Statistiken, die sie sich aber auch noch zu eigenem Vorteil zu Recht interpretieren. Ihre Vorstellungen haben mit der realen Situation am Bett, in der Ambulanz, im Operationssaal oder in der Praxis eines niedergelassenen Arztes nichts zu tun. Sie sind nur von der verstaatlichten Doktrin getragen – es muss billig sein. Scheinbar ist „Geiz ist geil“ ein beliebtes Spiel bei Betriebsfesten der Krankenkassen oder der Ministerien. Aber dann bitte nur für die Anderen, denen man es per Gesetz verordnen kann. Sie feiern mit den Lobbyisten und freuen sich auf die nächsten Gewinne mit. Es ist doch schön, wenn Milliarden verschleudert werden, wenn Korruption die Medikamente unbezahlbar macht – und zu allem gibt es kaltes Buffet.

Das Gesundheitswesen hat mit sozialen Marktwirtschaft schon nichts mehr zu tun. Spätestens seit Herr Seehofer Gesundheitsminister gewesen ist, ist das Gesundheitswesen nicht Preis sondern Budgetorientiert – also auf dem kalten Wege von der CDU/CSU/FDP verstaatlicht. Im Gegensatz zu anderen Dienstleistungen wie Rechtsanwälte u.ä. Die SPD braucht es nur fortzuschreiben. Ohne Erbschaftssteuer.

Die Gehaltsverbesserungen bei Ärzten waren schon seit 20 Jahren fällig. Beim Pflegepersonal genauso, nur traut sich das kaum jemand in der heutigen Situation zu sagen. Aber die, die gehen können, sind in der Schweiz, Schweden usw. beschäftigt, wo sie ernst genommen und richtig bezahlt werden. Die Ärzte haben durch die Streiks des Sommers 2006 eine Verbesserung erreicht, eine eigene Gewerkschaft etabliert und gleichzeitig dafür auch gesorgt, dass endlich die Richtlinien der EU bezüglich Arbeits- und Ruhezeiten umgesetzt werden. Das führt logischer Weise zu Verteuerung im Krankenhaus.

Kein Verwaltungsdirektor würde auf die Idee kommen, Pflegepersonal dafür reduzieren zu müssen, wenn es selbstverständlich wäre, dass solche grundsätzlichen Veränderungen ihren Niederschlag in den Preisen – also zur Zeit Budgets – gefunden hätten. Aber nein. Das System der Verstaatlichung hat erneut zugeschlagen, es wird weder die allgemeine Tariferhöhung noch die besonderen Abschlüsse bei den Ärzten in den Budgets der Krankenhäuser geben.

Ein Verwaltungsdirektor wird also vom Staat dazu gezwungen, das Personal so umzuschichten, dass es finanziell am Ende des Jahres auch passt (denn niemand wird ihm ein Defizit ersetzen). Dabei ist es nahe liegend, wenn die größte Berufsgruppe im Krankenhaus, die Pflege dran glauben muss. Bei den Ärzten ist man durch Gesetze, EU und Tarife gebunden und verpflichtet.

Und so kommt es, dass die Kostenträger/Kassen ihre Versicherten dazu zwingen, auf der Station eine Pflegekraft zu suchen – wenn sie dazu in der Lage sind. Eine Taschenlampe bekommen sie allerdings mit der Krankenkassenkarte nicht mitgeliefert. Wenn sie sehr gebrechlich sind und nicht auf den weiten Fluren des Krankenhauses suchen können, dann haben sie einfach Pech gehabt. So verstehen die deutschen Regierungen seit 20 Jahren soziales Gemeinwesen eines hoch entwickelten Industrielandes und das sind die sozialen Standards, die für die deutsche Bevölkerung vorgesehen sind.

Wir haben aber kein Geld – schreien sie dann bei jeder Sitzung, wo soll das Geld herkommen, fragen die Kassenvertreter in den Pflegesatzverhandlungen. Die Frage ist falsch gestellt und schon gar von der falschen Seite – von der Seite nämlich, die den realen Preis zu zahlen hat. Es gibt eine Qualität der Behandlung und eine Qualität der Bezahlung. Beides muss stimmen. Vielleicht muss dafür auch wieder ein Qualitätsinstitut eingerichtet werden, um das Problem auf die lange Bank zu schieben.

So lange werden Ärzte und Pflegemitarbeiter aufeinander gehetzt – in einem Krankenhausmilieu, wo sie eigentlich ganz was anderes vorhaben: Menschen zu heilen und zu pflegen. Frage ist nur – wer will es eigentlich noch wirklich? Von den Gesunden meine ich…In der Zwischenzeit werden ein paar Wenige Milliarden wegen überteuerten Preisen oder durch Korruption einsacken. Wir sind eine Solidargemeinschaft.

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