Sirenen Gesang – Frau Schavan gibt Reformpädagogik

Schavan: Schulen besser als ihr Ruf
Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat davor gewarnt, das deutsche Schulsystem schlechtzureden. „Wir haben im Bildungswesen weniger eine Qualitätskrise als eine Vertrauenskrise“, sagte sie zur Eröffnung der Bildungsmesse Didacta in Stuttgart.

„Wir brauchen eine Atmosphäre wie vor hundert Jahren.“ Damals hätten die Bürger in einer Gesellschaft des Umbruchs gemerkt, dass Kinder die Gestalter von morgen seien. „Das war die Geburtsstunde der Reformpädagogik.“

Irgendwie komme ich diese Tage aus dem Staunen nicht heraus. Nach abgezockten Banken, Korruptionen und der über Liechtenstein gelegten Spur für die Fuchsjagd auf Steuerhinterzieher wenden wir schnell zur klassischen Bildung. Sicher, ist global. Ein globaler Gedanke. Ein großer Gedanke. Sozusagen ein Gedankengebäude umringt von Pissa-Spezialisten. Und wir sollen die deutsche Schule nicht schlecht reden. Diese Gute-Nacht-Geschichte-Klamotte, die Frau Schavan mal wieder mit einem Pokerlächeln im Gesicht ganz cool abzieht kann nicht mehr schlecht geredet werden. Wenn man Frau Schavan für das deutsche Bildungssystem hält. Lieber nicht.

Bildung und Edukation sind so elementare Grundpfeiler jeder Gesellschaft, dass wir lieber hellhörig bleiben, was uns da wieder untergeschoben werden soll.

Natürlich ist das Schulsystem in Deutschland gut – zumindest besser, als es schlechter sein könnte. Wenn unsere Bundesministerin für Bildung Schavan von Reformpädagogik spricht, dann ist es wichtig zu wissen, was sie damit meint. Ist es eine Neuauflage der Begeisterung vom satten Bürgertum für die wahren Werte des Abendlandes und der Klassik. Immerhin gibt es Brockhaus in seiner Gesamtheit als Online-Werk. Das wird wohl nicht reichen. Oder spricht sie davon, dass Kinder angeleitet werden sollen, die Schnauze zu halten, wenn Erwachsene reden. Passend zum jetzigen Zustand der Bundesdeutschen Regierungsfähigkeit wäre es schon.

Aber nicht für unsere Zukunft. Nicht für die Zukunft der psychosozialen Gesundheit. Nicht für die Zukunft von sozialen Kompetenzen und Verantwortung sozialen Standards gegenüber. Und überhaupt – Bildung und Edukation müssen erst soziale Standard werden. Kein Klassizismus. Kein Poker mit Kindern und Jugendlichen, der fortwährend betrieben wird.

Es kann nicht sein, Frau Ministerin, dass Sie auf der einen Seite von Reformpädagogik sprechen und auf der anderen Seite die Kinder auf 8 Jahre Verbildung zusammenquetschen, und das noch als Fortschritt verkaufen – mit dem versteckten Vorwurf eines geheimnisvollen Lächeln der Unwissenden, dass diejenigen, die es kritisieren, sich nur nicht genug angestrengt haben.

Eine Reformpädagogik ohne Menschenbild, ohne Konzept, ohne Projektplanung, ohne Ausbildung der Pädagogen, ohne passende Schulen und Stundenpläne, ohne ausreichende Anzahl von Lehrern, mit riesigen Pizzaschachteln von Klassen, ohne modernes Unterrichtsmaterial, ohne Supervision der Lehrer, ohne Achtung der Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen, und ohne und ohne…so wird es nicht gehen und mündet wieder im Konsum von Korruption, Spassgesellschaft und verkorksten Körperkultur – weil die Intelligenz und Emotionen nach Ventilen suchen und die schnellst verfügbaren werden von der Massenproduktion in die selbst produzierten Marktnischen rein geworfen – im halb Jahres Takt.

Nicht umsonst beklagen sich die Produzenten von Schul-, Bildungs- und Edukationsmaterial anlässlich der Didacta, das ohne ausreichend zur Verfügung gestelltes Geld eine bessere Bildung nicht zu machen ist. Wir müssen uns die Frage stellen, für was wollen wir eigentlich mehr Wachstum. Ich dachte immer: gerade für Bildung, Gesundheit, Frieden, für gedeihliches Gemeinwesen, für Kinder und dass man im Alter nicht einsam erfrieren muss.

Milliardengeschäft Nachhilfe
von Daniela Schmidt und Eva Schmitz-Gümbel

Große Klassen, häufiger Unterrichtsausfall, verkürztes Abi – immer mehr Schüler kommen in der Schule einfach nicht mehr mit und sind auf Nachhilfe angewiesen. Die Branche boomt.

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