Was ist an 1968 interessant und vor allem, was sagt uns die Bewegung von 1968 heute? Zu erst haben wir erlebt, dass aus den Reihen der ´68er erfolgreiche Persönlichkeiten hervorgegangen sind, in allen wichtigen Bereichen des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Im Moment wird stellvertretend für diese Entwicklung die Biographie des ehemaligen Außenministers Joschka Fischer in den Medien rauf und runter studiert. Ein Hauch Faszination spielt immer mit. Vor allem die Motivation und Engagement für Erfassung und Lösung von Problemen zeichnet Joschka Fischer und die Nachkriegsgeneration aus.
Diese Engagement, Probleme zu sehen und sich nicht davon abbringen zu lassen, dass Probleme auch gelöst werden müssen, das ist die Hauptbotschaft der Bewegung von 1968.
Damals sind die Nachkriegskinder erwachsen und mit einer Gesellschaft konfrontiert worden, die auf der einen Seite demokratische Regeln übte, auf der anderen Seite durch fortgesetztes Obrigkeitsdenken alte Zöpfe in die Nachkriegszeit hinüber zu retten versuchte. Die erwachsen gewordenen Kinder der Trümmerfrauen haben aus den Gesprächen am Mittagstisch mitbekommen – wir haben Frieden und wir haben aufgebaut. Erschöpfte Eltern, die 20 Jahre aufgebaut und versucht haben, möglichst viel im Wirtschaftwunder zu verdrängen, sich nach der Nazi-Zeit im Regelwerk der Demokratie zu Recht zu finden.
Für die erste Nachkriegsgeneration wurde seit 1965 die Frage immer brennender: „Was fangen wir mit dem Frieden an?“
Der Aufbau und das Wirtschaftswunder haben Konsumfragen beantwortet, aber keine Antworten auf friedliche Fragen gehabt. Meistens Ablehnung – friedliche Fragen sollte es nicht geben, sie störten die verdrängte Kontinuität der Kriegsgeneration.
Es baute sich eine Stimmung zu grundsätzlichen Veränderungen auf. Nicht nur in Deutschland. Das Gleiche fand in Frankreich und in der Tschechoslowakei statt, nur um die Länder zu nennen, in denen 1968 mit schweren nationalen Krisen – im Fall von Tschechoslowakei sogar mit militärischer Okkupation durch die Warschauer-Pakt Staaten einherging.
Heute haben wir eine ähnliche Situation. Nach dem Mauerfall und Fall des Eisernen Vorhangs 1989 durch Wende, sanfte Revolution usw. hat das in zwei Lager geteiltes Gebiet von Europa aufgehört zu existieren. Staaten mit neuen Führungen, neuen Verfassungen und im Ringen um Demokratie haben sich auf den Weg der Kooperation aufgemacht.
Die ehemals sozialistischen Staatsregime haben umfirmiert, versuchen sich in Demokratie, die alte Nomenklatura hat schnell ihre Beziehungen und Logistik auf die Neue Zeit in Mafiastrukturen umorganisiert. Somit gibt es wiederum einen Zustand, in dem Strukturen vor der Veränderung in die Zeit nach der Veränderung hinübergerettet werden sollen.
Die Weltarbeitsteilung (Globalisierung) folgt dem Massenkonsum und manipuliert die Weltpreise durch Karawanen in Billiglohnländer – Länder in denen die soziale Struktur und Infrastruktur noch nicht soviel kosten (sog. Lohnnebenkosten). Durch diese Konsumhörigkeit wurde aber der soziale und infrastrukturelle Fortschritt wieder in Frage gestellt – produziert wird eben wo anders.
Heute ist die Nach-Wende-Generation erwachsen geworden. Bei Mittagstisch werden bröckelnde Tarife diskutiert und keiner kommt mit der wachsenden Korruption, mit der sich verbreitender Willkür der sog. Leistungsträger zu Recht. Die Medien sind mit der legislativen und wirtschaftlichen Nomenklatura gleichgeschaltet – es wird eine allgemeine Beschwichtigung zelebriert und Problemlösungen immer wieder verschoben, vertagt oder mit mehrheitsfähigen Teillösungen verschleiert anstatt nachhaltig gelöst.
Bei soviel gewonnen Freiheit fragt sich die Nach-Wende-Generation: „Was fangen wir mit der Freiheit an?“
So wie auf diese Frage beschwichtigend und mit „Brot und Spiele“ (= „Geiz ist geil“) untermauert über die Medien Antworten verbreitet werden, können wir sicher davon ausgehen – auch diese Generation wird sich damit nicht zufrieden geben und ernsthafte nachhaltige Lösungen suchen. Es wird nicht ohne Auseinandersetzungen gehen – dafür sorgt schon die etablierte Klasse mit ihren unklugen Entscheidungen und selbstherrlichen Verhalten.
Es wird nicht ohne Beunruhigung der vorigen Generation gehen. Leider erschöpft sich im Moment diese Auseinandersetzung zunächst in der Rentenfrage – fast könnte man auf die Idee kommen, hier wird zur Verschleierung von Problemen versucht, einen Generationskonflikt zum Kampf der Generationen hoch zu stilisieren – die Jugend und Rentner werden von der Gleichschaltung in Angst versetzt und in einen „Stellvertreter-Krieg“ aufeinander gehetzt.
Lösungen, die einen Sündenbock anbieten wird die erwachsen gewordene 1989-Generation genauso wenig akzeptieren, wie die ´68er die Verdrängung der Probleme aus der Nazi-Zeit nicht akzeptieren konnten. „Wir haben davon nichts gewusst.“ gibt es eben nicht, und „Wir wissen schon, was für alle gesund ist“ geht nicht so einfach. Wir sind froh, dass Kinder erwachsen werden. Immer wieder.
Jahr des Protestes
Freie Liebe, Prager Frühling und Studentenunruhen
Joschka – eine Karriere
Eine totalitäre Revolte?
Götz Alys Generalabrechnung mit der 68er-Bewegung
Weitere „aspekte“ der 68er
Ein politischer
Urknall?
Wie die 68er die Republik aufmischten