Jetzt sind Bischöfe vor Ort dran (21.7.2008):
Papst trifft Missbrauchsopfer
von Jürgen Erbacher, Sydney
Treffen in letzter Minute: Kurz vor seiner Abreise aus Australien hat sich der Papst mit Opfern sexuellen Missbrauchs durch Kleriker getroffen. Opferverbände kritisierten jedoch die Aktion.Nun doch „sorry“ am 20.7.2008:
Bisher Entschuldigung vermieden
„I’m deeply sorry (…) – Ich bedaure zutiefst den Schmerz und das Leid, das die Opfer durchlitten haben.“ So deutlich und persönlich hatte der Papst bisher noch nie Stellung zu den Missbrauchsfällen bezogen.
Papst bedauert Leid der Missbrauchsopfer
von Jürgen Erbacher, Sydney
Papst Benedikt XVI. hat den sexuellen Missbrauch von Kindern durch katholische Geistliche „zutiefst bedauert“. Bei einer Messe in Sydney forderte er zudem Hilfe für die Betroffenen und klare Strafen für die Täter. Opfern geht das nicht weit genug.
Die Barmherzigkeit der menschlichen Psyche liegt in der Fähigkeit zu verdrängen. Damit besitzen wir eine Fähigkeit uns gegen überflutende Erinnerungen zu schützen. Es ist eine individuelle Fähigkeit, die wir mit Dankbarkeit empfangen sollten. Aber auch bei der Verdrängung erleben wir, dass sie nicht allmächtig ist, sondern genug Schuldgefühle durchlässt.
Spätestens dann hat uns die Barmherzigkeit der Verdrängung daran erinnert, dass wir etwas erledigen müssen. Päpstlich verordnete Verdrängung der guten Stimmung wegen für ein ganzes Gemeinwesen ist nicht barmherzig, sondern nur eine billige Politik für kurzlebige Produkte, wie für ein Popkonzert. Der Preis dafür ist, dass solche Missbrauchsereignisse genauso wenig verarbeitet werden, wie die Verbrechen der Nazi-Zeit oder andere Verbrechen an den Menschen. Nicht zu verarbeiten, sich nicht zu entschuldigen, nicht vorsorgen bedeutet Gefahr, dass ein Verbrechen, ein Missbrauch von Menschen immer wieder passiert.
Wenn ein ganzes Gemeinwesen verdrängt, bedeutet es die Gefahr von neuen Verbrechen, von neuer Schuld. Wenn in einem Gemeinwesen ein Mensch missbraucht wird, dann sind alle missbraucht worden. Wenn ein Kind durch einen Priester missbraucht wird, dann sind alle Mitglieder dieser Kirche missbraucht worden. Nur es spürt wohl keiner. Wie auch. Die Barmherzigkeit der Guten Stimmung während des Weltjugendtages in Sydney darf nicht gestört werden. „Besondere Brisanz erhielt das Thema nun durch Äußerungen des Weltjugendtagskoordinators Anthony Fisher. Er hatte den Opfern vorgeworfen, durch „Festhalten an alten Wunden“ die gute Stimmung des Weltjugendtags zu stören. Die Kontroverse lenke von den Feierlichkeiten ab. Damit reagierte er auf Vorwürfe eines Vaters, dessen beide Töchter als junge Mädchen in Melbourne von einem Priester vergewaltigt worden waren.“ Das erinnert an ein Fest des örtlichen Turnvereins.
Was wird der Jugend und der Welt durch die Pop-Konzerte der päpstlichen Reisetätigkeit eigentlich beigebracht? In Amerika entschuldigt sich der Papst, in Australien arten die Versuche sich den Opfern und der Problematik menschlich nah anzunehmen in eine verwickelte Diplomatenshow aus. Auf der anderen Seite werden wichtige Themen wie Ökologie, Gewalt und Anarchie des Konsums angesprochen. Mit erhobenem Zeigefinger mahnen, ohne sich selbst aus den Verstrickungen mit Lobbyisten zu befreien, wird nicht mehr als eine Erinnerung an eine gut inszenierte Reise um die Welt bleiben. Eben Fotos der Guten Stimmung.
„Mehr als 200.000 junge Katholiken feiern seit Dienstag den Weltjugendtag in Sydney. Abschluss und Höhepunkt ist am Sonntag eine große Papstmesse mit rund 400.000 erwarteten Teilnehmern.“ und die müssen wissen, dass sie alle missbraucht worden sind. Als Mitglieder der Kirche, als Teilnehmer des Weltjugendtages, als Jugend überhaupt. Solange wir die Jugend mit doppelzüngigen Botschaften missbrauchen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich die Jugend aus den Botschaften das Bequemste aussucht: Gute Stimmung um jeden Preis. Damit befindet sich die Katholische Kirche in guter Gesellschaft der Spaßgesellschaft. Gesegneter Missbrauch. Willkommen daheim auf der Welt. Übrigens: Entschuldigung ist auch unfehlbar. Trifft immer denjenigen, dem Schuld angetan worden ist.
Gebt der Jugend Orte der geschützten Zuflucht.
Auch der Vatikan zieht die Show von „Brot und Spiele“ einer nachhaltigen Politik vor.
Missbrauchsopfer warten auf Papst-Entschuldigung
Vatikan dämpft Erwartungen