Den Krankenhäusern reicht das Schmidt-Paket nicht aus. Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Rudolf Kösters, forderte von Bund und Ländern 6,7 Milliarden Euro mehr für die Kliniken. „Wir können das nicht mehr allein packen“, sagte Kösters. Die Krankenhäuser befänden sich in einem „ökonomischen Würgegriff“. Das Hilfspaket nannte Kösters eine „Mogelpackung“. Die Politik habe die Achtung vor der Leistung der Kliniken verloren. Mehr als ein Drittel der rund 2100 Krankenhäuser in Deutschland sei akut insolvenzgefährdet.
Wenn man im Krankenhaus oder überhaupt im Gesundheitswesen arbeitet, dann wird man auf der einen Seite mit dem Normalen konfrontiert, das sind die Krankheiten und Störungen, derentwegen die Menschen Hilfe suchen. Auf der anderen Seite aber mit einem Irrsinn und das ist die Gesundheitspolitik. Nach 30 Jahren kann ich nur einige wenige politische Entscheidungen aufzählen, die wirklich und nachhaltig eine Verbesserung den Patienten und den Beschäftigten gebracht hätten. Nun ist es wieder mal soweit, dass den Beschäftigten die Galle übergelaufen ist und sie in Berlin für bessere Bedingungen auf die Straße demonstrieren gingen. Im Moment sind es die Krankenhäuser, die große Probleme haben, mit den ihnen zugestandenen Einnahmen die laufenden Kosten zu decken. Es ist schon aberwitzig, welchen Unsinn wir uns da gefallen lassen müssen. Z. B. wenn Frau Ministerin Schmidt meint, das von ihrem Ministerium geförderte Krankenhaussterben sei nicht problematisch, eigentlich im Wirtschaftsleben normal und überhaupt sei es gut, wenn Krankenhäuser, die man nicht mehr brauche, aus der Landschaft verschwinden. Von regionaler Versorgung hat Frau Schmidt wohl noch nichts gehört, oder will es nicht hören, stattdessen wird auf den Bürger appelliert, dass es doch jedem zugemutet werden könne, wenn für bestimmte Eingriffe das Krankenhaus eben paar Stunden weiter entfernt wäre. Wahrscheinlich bekommen Patienten demnächst mit der Gesundheitskarte auch ein Dienstwagen des Gesundheitsministeriums gestellt. Es verwundert und ist schade. Das Gesundheitswesen ist der größte Wirtschaftsbereich im Lande, von der Bilanzsumme und Beschäftigtenanzahl größer als die Automobilindustrie. Das Gesundheitswesen ist die Lokomotive des nächsten Wachstumszyklus mit der Basisinnovation „Psychosoziale Gesundheit“. Das Gesundheitswesen ist der einzige Bereich, in dem zu Zeit nach der Gesundheit der Menschen geschaut wird. Die Gesundheit der Menschen ist mittlerweile zu einem Produktionsfaktor geworden. Wenn wir bei der immer kleineren Zahl von Erwerbstätigen nicht dafür sorgen, dass sie auch gesund sind und bleiben können, dann werden bei der demographischen Entwicklung nicht nur Probleme mit dem Angebot von Fachkräften bekommen, sondern Schwierigkeiten, überhaupt ausreichende Anzahl von arbeitsfähigen Menschen auf dem Markt zu finden. Jeder Unternehmer und jeder Politiker, der sich über die Kosten im Gesundheitswesen am Stammtisch aufregt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Gesundheitswesen ist ein Investivbereich auf die Zukunft. Mit Zukunft ist von heute aus gesehen schon 2012-2015 gemeint, also nicht arg lang hin. Gesundheitswesen ist auch ein System, das nur bis zum gewissen Maße einen Missbrauch von Resourcen tolerieren wird. Wenn wir nicht aufpassen, korrigieren, fortbilden und investieren, dann wird uns das gleiche passieren, was wir jetzt in der Finanzwelt beobachten. Ein Tropfen wird das Fass zum überlaufen bringen und das System fliegt uns um die Ohren. Deshalb ist es verständlich und gut, dass diejenigen, die in diesem System arbeiten, ihre Wahrnehmung von der Hitze, die bereits im Systemkessel herrscht der übrigen Bevölkerung z. B. durch Demonstration und Aufklärung näher bringen. Denn die Bevölkerung ist die leidtragende von dem selbstverursachten Mangel. Es ist notwendig das Gesundheitswesen auf seine Funktion als Wachstumsmotor im nächsten Wachstumszyklus vorzubereiten, unnötige und sinnlose Ausgaben zu unterlassen und zu investieren – in Infrastrukturen, Gebäude, Geräte, Wissenschaft, Fortbildung, Vernetzung und in die Menschen, die Gesundheit im Gesundheitswesen vermitteln sollen. Die gerade beschlossenen 3 Milliarden Euro für die Krankenhäuser ist im Vergleich mit dem, was bereits versäumt worden ist, nur eine Beschwichtigung der angespannten Wirtschaftssituation. Davon wird bereits durch Sondernabsprachen der Budgettpartner 1 Milliarde ausgegeben – sind allso effektiv nur 2 Milliarden, die neu dazu kommen sollen. Für alle Krankenhäuser in der Bundesrepublik. Wenn Krankenhäuser z. B. eine IKB wären, bekämen sie 7 Milliarden Euro. Irgendetwas stimmt da nicht in der politischen Optik der Verantwortlichen.
Aus dem Newsletter des Marburger Bundes vom 26.9.2008:
Über 130.000 Teilnehmer!
Mehr als 130.000 Krankenhausbeschäftigte aller Berufsgruppen, mit einem Meer von Fahnen, Transparenten und Luftballons, prägten das Bild vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule in Berlin. „Der Deckel muss weg“ – diese zentrale Botschaft skandierte diese unglaubliche Masse, lautstark unterstützt durch Kolleginnen und Kollegen mit Trillerpfeifen. In einem Sternmarsch waren die Demonstrationsteilnehmer vom Hauptbahnhof, dem Alexanderplatz und dem Wittenbergplatz zum Brandenburger Tor gezogen, um dort gemeinsam ihre Wut über die verfehlte Finanzierungspolitik für die deutschen Krankenhäuser nachdrücklich zum Ausdruck zu bringen. Etwas Vergleichbares hat es in der Geschichte des deutschen Gesundheitswesens noch nicht gegeben: das Aktionsbündnis – Rettung der Krankenhäuser, initiiert von DKG, Marburger Bund, verdi, dbb Tarifunion, Deutschem Städtetag, VKA, Bundesärztekammer, Deutschem Pflegerat und Verband der Krankenhausdirektoren, ansich ist bereits durch seine Zusammensetzung aus Arbeitgebern, Gewerkschaften und Berufsverbänden einmalig, aber der unglaubliche Zuspruch seitens der Krankenhausbeschäftigten hat bei weitem noch die Erwartungen an eine solch bisher einmalige Aktion übertroffen. Und in einem waren sich wiederum alle einig: das war nur der Anfang des Drucks, den die Krankenhausbeschäftigten ausüben werden, wenn sich die Politik nicht mehr bewegt, als sie bisher angekündigt hat, um die Finanzmisere der deutschen Krankenhäuser zu beheben, und zwar noch in diesem Jahr. Auf der MB-Website finden Sie erste Fotos von der Großdemonstration und das Statement von MB-Vorsitzendem Rudolf Henke am Brandenburger Tor.
Krankenhausfinanzierung
Politik lässt Krankenhäuser auf Kosten sitzen
Entwurf für ein Krankenhausfinanzierungsgesetz (pdf) abgesegnet. Demnach sollen die Kosten für die Tarifsteigerungen nur bis zur Hälfte von den Kassen übernommen werden. Das Geld für die neuen Pflegerinnen und Pfleger soll zu 30 Prozent von den Krankenhäusern finanziert werden. Woher die das nehmen sollen, lässt der Gesetzentwurf offen. Sowohl das Aktionsbündnis Rettung der Krankenhäuser und die Deutsche Krankenhausgesellschaft als auch die Bundesärztekammer haben den Beschluss als zu niedrig kritisiert.
Umstrittene Stärkung der Hausärzte
Heftige Kritik hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) an einer geplanten Gesetzesänderung geübt, mit der aus deren Sicht ein Zwang für die Krankenkassen eingeführt wird, mit „Gemeinschaften, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte … vertreten“ einen Vertrag zu schließen. Bei mangelnder Einigung könne ein Schiedsverfahren eingeleitet werden. Der Änderungsvorschlag verstoße gegen Verfassungsrecht und europäisches Gemeinschaftsrecht und stehe im Widerspruch zu der staatlichen Gewährleistungsverantwortung für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung durch Kassenärztliche Vereinigungen. Mehr dazu in der Stellungnahme der KBV (pdf)
Gesundheitspolitik (2)
Regierung lässt Pleitegeier auch über AOK kreisen
Die geplanten Regeln zur Insolvenzfähigkeit von gesetzlichen Krankenkassen (GKV) im Zuge der Einführung des Gesundheitsfonds sind bei den Kassenverbänden auf wenig Widerstand gestoßen. Das wurde bei einer Anhörung des Bundestages zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) erneut deutlich. Nach den Plänen der Regierung sollen künftig auch Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK) und regionale Versicherungen pleitegehen können. Insolvenzfähig waren bislang nur Kassen unter Aufsicht des Bundes wie DAK, Barmer und Techniker Krankenkasse. Die Regelungen sind enthalten in den Gesetzentwürfen
16/9559 (pdf)
16/10070(pdf)
Krankenkassen
Die nächste Partnerschaft
Nachdem sich Techniker Krankenkasse und IKK Direkt als Folge der Gesundheitsreform zusammenschließen, folgen nun die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) und die wesentlich kleinere BKK Allianz. Die neue Krankenkasse KKH I Allianz werde gemeinsam mehr als zwei Millionen Versicherte und rund 4.500 Beschäftigte haben, teilten die Unternehmen in einer gemeinsamen Erklärung mit.
Elektronische Gesundheitskarte
Die gematik hat die ersten beiden Lesegeräte (eHealth BCS-Terminals) für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) zugelassen. Wie die MBZ berichtete, ist das Fehlen dieser Geräte ein Stolperstein, der das geplante Verteilen (den Rollout) der eGK in der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein ins Stocken bringt. Die Festlegung der Pauschalen, die die Praxen zur Anschaffung dieser Geräte erhalten, soll laut Kassenärztlicher Vereinigung Nordrhein erst dann ermittelt werden, wenn mehrere stationäre und mobile Lesegeräte zugelassen sind. Die bereits genehmigten Geräte veröffentlicht die
gematik.
Fallpauschalen
Katalog wird noch dicker
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der GKV-Spitzenverband und der Verband der privaten Krankenversicherung haben sich nach eigenen Angaben auf die maßgeblichen Bausteine des Fallpauschalensystems 2009 geeinigt. Kernelemente sind die Abrechnungsbestimmungen und der Fallpauschalen-Katalog, der im kommenden Jahr insgesamt 1.192 verschiedene abrechenbare Fallpauschalen enthält. Damit verfügt der überarbeitete Katalog über 55 zusätzliche Fallpauschalen. Die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) für das Jahr 2009 wurden unter Beteiligung von Bundesärztekammer und Deutschem Pflegerat angepasst.
in ZDF.de:
Kliniken: Empfänger der Finanzspritze rufen zum Protest
Streit um Notpaket der Regierung
Riesendemo gegen Finanz-Not bei Kliniken
Kundgebung mit 135.000 Teilnehmern in Berlin
Wie werden Kliniken finanziert und warum fehlt Geld?
Krankenhäuser aus mehreren Gründen klamm
Bund und Länder bei Klinikfinanzierung einig
Weg frei für Finanzhilfen an Kliniken
Kassen gegen mehr Krankenhauspersonal
Ministerin Schmidt will 21.000 zusätzliche Stellen
Schmidt bietet bei Klinikfinanzierung Kompromiss an
Verbraucherschützer: Deutschland hat zu viele Kliniken
Nothilfe für Kliniken: Schmidt muss sich Ländern beugen
CDU-Länder kippen Investionspauschale
Bund und Länder feilschen um Krankenhauskosten
Bayern und Baden-Württemberg lehnen Mehraufwendungen ab
Ulla Schmidt: Medizinische Versorgung wird nicht günstiger
Ministerin verteidigt Gesundheitsfonds – Beitragssätze sollen begrenzt werden
Kliniken: 20.000 Jobs auf der Kippe
Krankenhausgesellschaft fordert Geldspritze in Milliardenhöhe
Schmidt fordert von Krankenkassen Kulanz
Initiative zur Rückkehr in Krankenversicherung gestartet
Schmidt stellt Spitzenmedizin auf dem Land in Frage
Ministerin will Krankenhausfinanzierung neu regeln
125 Jahre Krankenkasse – Und was kommt jetzt?
Jubiläum in Berlin im Schatten der Gesundheitsreform
Auf dem Weg zum elektronischen Patienten
Elektronische Gesundheitskarte startet im Dezember