Steinbrück legt Vorschläge bei G7-Treffen vor

Notiz vor den Regeln: It´s the economy, stupid!
CNN-Bildschirme wie immer in Krisen, rabiat aktuell, der Moderator im „Situation Room“ wollte wissen, was die US-Bürger vom großen „Bail Out“ hielten, dem Milliarden-Rettungspaket, mit dem die US-Finanzbranche nun aus den Schwierigkeiten rausgepaukt werden soll. Der Server des Nachrichtensenders brach unter der Wucht der wütenden E-Mails aufgebrachter US-Bürger fast zusammen. Kein Wunder, was soll zum Beispiel ein kleiner Angestellter wie der auf dem Flughafen – wenig Geld, wenig Urlaub, viel Arbeit – von Milliarden-Abfindungen für Börsenversager halten? Auf die US-Wahlen darf man gespannt sein. Wieder einmal bestätigt sich Bill Clintons Slogan von anno dazumal: It´s the economy, stupid!

8 „Verkehrsregeln“ für die Finanzmärkte
Die Krise auf den Finanzmärkten hat sich weiter zugespitzt. Das schnelle, koordinierte Eingreifen der Notenbanken hat geholfen, die unmittelbaren Probleme zu lindern. International wurden zahlreiche Initiativen ergriffen, um das Finanzsystem zu stärken und krisenfester zu machen. Die wichtigste Herausforderung bleibt bestehen: Das Vertrauen in das internationale Finanzsystem wieder herzustellen.

Vorschläge des Bundesfinanzministeriums
Dringend notwendig ist, jetzt international abgestimmte Regeln für die Finanzmärkte zu finden, um Krisen künftig besser vorzubeugen. Dazu skizziert Bundesfinanzminister Peer Steinbrück acht „Verkehrsregeln“. Sie umfassen wichtige Bereiche, auf die sich die internationale Gemeinschaft nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums konzentrieren sollte. Beim G7-Finanzminsitertreffen in Washington wird der Bundesfinanzminister die Vorschläge diskutieren.

 

Die acht Punkte im Wortlaut:

1. Bilanzierungspflicht für Finanzinnovationen
Wir sind uns einig, dass Finanzinnovationen beachtliche Vorteile, beispielsweise bei einem gezielten Management von Finanzrisiken bringen können. Ein Grund für die Schärfe der Finanzkrise ist, dass die beachtliche Innovationskraft der Finanzindustrie auch dafür genutzt wurde, Risiken aus den Bilanzen der Finanzinstitute auszulagern und damit die aufsichtlichen Kapitalanforderungen zu umgehen.
Dies muss künftig unterbunden werden: Wir wollen, dass Banken Risiken eingehen können, aber nur solche, die sie mit ausreichend unterlegt und in der Bilanz aufgeführt haben. Nur eine solche Transparenz schützt vor vergleichbaren Krisen wie der gegenwärtigen und einem drohenden Vertrauensverlust, der die Grundlagen der Finanzindustrie selbst in Frage stellt.
Finanzinnovationen müssen künftig in Zielsetzung und Verwendung transparent werden, nur so können sie einen positiven Beitrag zu wirtschaftlicher Entwicklung und Stabilität leisten.

2. Höhere Liquiditätsvorsorge bei Banken
Die massive Liquiditätskrise und das Einfrieren der Interbankenmärkte sind wohl das deutlichste Merkmal der gegenwärtigen Bankenkrise. Nach Jahren schier endloser Liquidität an den internationalen Märkten waren die Finanzinstitutionen, aber auch Zentralbanken und Aufsichtsbehörden darauf kaum vorbereitet.Der Baseler Ausschuss hat bereits das Vorhalten von Liquiditätspuffern gefordert. Jetzt gilt es, diese zu quantifizieren und möglichst rasch auf internationaler Ebene umzusetzen.

3. Internationale Standards für eine stärkere persönliche Haftung der verantwortlichen Finanzmarktakteure
Weltweit fragen sich die Bürger im Zuge der Finanzkrise, welche weiteren Belastungen auf sie zukommen. In einer solchen Situation ist es der Bevölkerung schlichtweg nicht mehr vermittelbar, wenn die verantwortlichen Entscheidungsträger in den Unternehmen nicht nur für ihre Fehlentscheidungen nicht zur Verantwortung gezogen werden, sondern die Unternehmen teilweise auch noch mit Abfindungen in Millionenhöhe, den berüchtigten „golden parachutes“, verlassen. Deshalb ist es Zeit für internationale Standards für eine stärkere persönliche Haftung der Finanzmarktakteure. Diese muss sowohl der unternehmerischen als auch der gesellschaftlichen Verantwortung der Finanzmarktakteure Rechnung tragen.

4. Anpassung der Anreiz- und Vergütungssysteme des Finanzsektors
Die aktuellen Anreiz- und Vergütungssysteme müssen auf den Prüfstand. Finanzdienstleistungen leisten einen wesentlichen Beitrag zu Effizienz und Wertschöpfung, aber in der atemberaubende Entwicklung von Renditen in den letzten Jahren äußert sich auch eine zunehmend Abkopplung – von der Realwirtschaft und von den kumulierten Risiken, die im Tausch für diese Renditen tatsächlich in kauf genommen wurden. Ein solches Renditerennen führt früher oder später zum Zusammenbruch der Märkte. Ich bin überzeugt, dies hat wesentlich mit den Anreiz- und Vergütungssysteme im Finanzsektor zu tun. Deshalb ist auch eine Diskussion über die Anreiz- und Vergütungssysteme erforderlich. Auch hier gibt es einen Bedarf für Orientierung und internationalen Normen, damit sich angemessenere und nachhaltigere Strukturen etablieren. Eine Möglichkeit wäre ein internationaler Verhaltenskodex für eine verantwortungsbewusste Geschäftsführung, der dann seinen Niederschlag in der jeweiligen Unternehmenspolitik finden sollte.

5. Engere Zusammenarbeit zwischen FSF und Internationaler Währungsfonds (IWF)
Wir haben als G7 wiederholt den Auftrag für die Stärkung von Frühwarnkapazitäten und eine Verbesserung der Zusammenarbeit von IWF und FSF erteilt. Der Schlüssel für Verbesserungen liegt in der erfolgreichen Zusammenführung der Kernkompetenzen der beiden Institutionen. Der IWF muss seine Analysekapazitäten im Bereich Finanzstabilität entscheidend stärken. Das FSF muss noch stärker als bisher eine effektive Koordinierung der Arbeiten einzelner nationaler und internationaler Gremien zur Finanzstabilität sichern. Hierauf aufbauend sollten wir prüfen, ob IWF und FSF jährlich einen gemeinsamen Bericht zur Finanzmarktstabilität erstellen sollten. Der IWF würde dann nach Konsultation mit anderen relevanten Gremien das Analysekapitel erstellen; auf dieser Basis würde das FSF die Notwendigkeit konkreter Handlungsempfehlungen prüfen. Wichtig wäre darüber hinaus auch eine Überwachung der Umsetzung vergangener Politikempfehlungen. Diese Rolle könnte dem IWF zufallen. Ein gemeinsamer Bericht würde künftig die Diskussion über notwendige Politikempfehlungen transparenter machen und damit die Effektivität insbesondere der Krisenprävention erhöhen.

6. Verbot schädlicher Leerverkäufe
Spekulationen auf fallende Kurse im Rahmen von Leerverkaufsgeschäften können in Zeiten allgemein angespannter Finanzmärkte zu einer erheblichen Belastung und möglicherweise auch zu einer Gefährdung der Finanzmarktstabilität führen, insbesondere wenn sich die Spekulationen gegen Emittenten aus dem Finanzsektor richten. Maßnahmen, die auf nationaler Ebene ergriffen werden, um spekulativen Übertreibungen entgegen zu wirken, sind im Hinblick auf die engen Verknüpfungen der Finanzmärkte nicht immer ausreichend. Notwendig ist meines Erachtens künftig ein stärker abgestimmtes Vorgehen. Vor diesem Hintergrund sollte auf internationaler Ebene ein Konsens über das Verbot bestimmter schädlicher Leerverkaufspraktiken erzielt werden.


7. Selbstbehalt bei Verbriefungen

Die Trennung von Kreditvergabeentscheidung und Risikoverantwortung hat sich in der gegenwärtigen Krise als fatal herausgestellt. Um ein nachhaltiges Risikobewusstsein bei Banken und im gesamten Finanzsystem zu erreichen, schlage ich vor, dass Kreditrisiken, die Banken eingehen, von diesen nicht mehr zu 100% verbrieft und damit weitergereicht werden können. Aus meiner Sicht sollte das veräußernde Institut verpflichtet werden, einen bestimmten Anteil der eingegangenen Kreditrisiken in den eigenen Büchern zu behalten. Über einen angemessenen Prozentsatz, der einerseits hoch genug ist, um ein risikobewusstes Verhalten sicher zu stellen, andererseits den Banken aber auch den ökonomisch erwünschten zusätzlichen Handlungsspielraum in der Kreditvergabe einräumt, sollte auf G7 Ebene gesprochen werden. Aus meiner Sicht wäre ein Selbstbehalt bis zu 20% eine denkbare Größe. Eine entsprechende Regelung sollte meines Erachtens international angelegt sein, um Wettbewerbsverzerrungen und Umgehungsversuche verhindern zu können.

8. Verbesserung der Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden
Das FSF hat die Einrichtung von international colleges of supervisors und eine enge Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden vorgeschlagen. In Europa arbeiten wir an einer weiteren Harmonisierung der Aufsicht. Einen entsprechenden Prozess sollten wir auch auf internationaler Ebene rasch einleiten.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen

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