Ermächtigungsgesetze
Rettungspaket im Eiltempo abgenickt
Der Weg für das Rettungspaket für den schwer getroffenen deutschen Finanzmarkt ist frei. Nach der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat unterschrieb Bundespräsident Horst Köhler das Gesetz. Es tritt am Samstag in Kraft
Von der Idee zum Gesetz in 6 Tagen
von Thorsten Alsleben, Berlin
Was sonst mehrere Wochen dauert, ging beim großen Rettungspaket in gerade mal fünf Tagen. Ein Lehrstück in Sachen effektiver parlamentarischer Demokratie in Krisenzeiten.
Die unten zusammengestellten Nachrichten eines Tages, vom 16.10.2008 auf ZDF.de zeigen zu deutlich, in welcher hysterischen Verwirrung wir uns gerade alle zusammen einig sind. Banken handeln mit faulen Krediten. Würden sie so etwas sich jemals vorgestellt haben in Verbindung mit dem Begriff „Bank“. Bis zu dieser Bankenkrise wurden vor allem Kreditnehmer als faule, gefährliche Bakterien durchleuchtet, die eine Bank infizieren könnten. Das neue ist, dass die Bank gieriger als der Kreditnehmer geworden ist, den Kreditnehmer quasi überholte, aber unterwegs nicht so schnell wie erforderlich die faulen Kredite loswerden konnte. Nicht einmal die berüchtigten Todesschwadronen der Hedgefonds haben es geschafft, die unter dieser Last an selbst gezüchteten Bakterienstämmen von Krediten leidenden Banken zu befreien. Die Infektion ist zu einer Epidemie geworden, der nicht einmal die aggressivsten Händler der Hedgefonds Herr werden konnten.
Da muss der Staat her und schnürt Rettungsprogramme wie ein Matrose Tau, in Erwartung eines Unwetter auf See zusammen zu einer Notausstiegsleiter bündelt. Nun hofft der Staat, dass er mit so einem Tau einen Bungee-Sprung bewerkstelligen kann – runterspringen und mit dem fröhlichen Steuerzahler wieder oben auf der Brücke ankommen wird. Unbeschädigt versteht sich. Es sollen ja nur 20 Milliarden letztendlich eingesetzt werden, das andere viele Geld von 480 Milliarden EURO solle nur den Schirm bei diesem Sprung in das kalte Wasser der undurchsichtigen Bilanzen der Banken bilden. Herr Ackermann hat vorgesorgt. Falls entgegen eigene Beteuerungen doch in seinen Bilanzen vernebelte Stellen gefunden werden sollten, hat er schon mal auf seine Boni verzichtet. Oder es ist vielleicht eine kluge Vorbereitung, sozusagen in asketischer Selbsterkenntnis bereit sein, die staatliche Hilfe annehmen zu dürfen. Denn machen wir uns nichts vor – schon in den anderen Bereichen von staatlicher Unterstützung nehmen alle erst einmal einen Betrug als Motivation für Annahme von staatlichen Hilfen an. Bei der Sozialhilfe ist es am bekanntesten – hier sehen wir beinahe jeden als Betrüger an, schon alleine deshalb, weil er nichts hat. Gut, das passiert uns bei den Bankmanagern nicht, denn die behalten wenigstens 500.000 Euro Jahresgehalt, wenn sie Hilfe annehmen, damit sie anderen Geld zu verleihen bereit sind. Haften müssen sie nicht. Die Sozialhilfeempfänger auch nicht.
Aber mal anders gedacht. Beim Weltspartag freuen sich alle, dass so viele wieder so viel gespart haben. Kinder bekommen Knax-Heft in die Hand gedrückt und werden damit an den Geruch des Geldes gewöhnt, konditioniert. Es funktioniert auch. Wenn wir sehen welche junge Gesichter von smarten Börsegauklern uns in diese Finanzkrise mit den vermeintlich sicheren Legosteinen der Derivat- und Zertifikatwirtschaft hineingezockt haben, dann müssen die Weltspartage vor 25 Jahren ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Nur etwas haben die Kids damals missverstanden.
Die Börse ist der Dienstleister der Wirtschaft, ansonsten hat sie keinen Sinn. Finazmittelbeschaffung für die produzierende und dienstleistende Wirtschaft. Für Spiele haben wir zugelassene Spielcasinos oder das Lotto. Nun steigt der Staat mit dem 500 Milliarden schweren Rettungspaket in das unheilvolle Spiel der Banken ein. Und setzt dabei mit einem eiligst gestrickten Gesetz einige wichtigen demokratische Prinzipien der parlamentarischen Kontrolle außer Kraft. Psychose der Börse lässt sich nicht mit Überfütterung, Sozialisierung der Gierverluste heilen. Psychose ist ein Hunger nach Zuwendung von regredierten Persönlichkeiten, die sich nicht mehr anders zu helfen wissen, als die Realität in einen Wahn umzudeuten.
Die Weltspartage haben trotzdem ihren wichtigen Sinn. Sie zeigen allen zusammen die Bedeutung von Sparen, von der heilsamen Wirkung für die Gemeinschaft, wenn alle etwas fürs Leben zur Verfügung haben. Die Bundesregierung wäre gut beraten, wenn sie bei der systemischen Antwort auf die Finanzmarktkrise die Geldzuwendung nicht in die Banken hineinpumpt – denn diese können sich selbst helfen, wenn sie wissen, dass sie als marktwirtschaftliche Teilnehmer selbst für ihre Rettung sorgen müssen. Die Bürger mit einem bedingungslosen Grundeinkommen auszustatten würde das Vertrauen von 80.000.000 Einwohner stärken, weil sie keine Existenzängste mehr hätten. Würde nur höchstens 64 Milliarden pro Jahr kosten. Dafür würden viele Subventionen und entwürdigende Überprüfungen der persönlichen Einkommens- und Eigentumsverhältnisse wegfallen. Der ganze Stress für Behördenmitarbeiter wäre weg. Und wir hätten 64 Milliarden pro Jahr, die den Wirtschaftskreislauf am Laufen halten würden. Dazu scheint aber die moderne Gesellschaft 2008 noch nicht verstanden, dass ihre Mitglieder das Wichtigste sind, was wir haben. Die Banken sind nur dann von Bedeutung, wenn sie sich um den Banksafe kümmern. Das erwartet die Gesellschaft von Geldspezialisten – Geldschützen und geschützt vermehren. Steuergeld ist für die Bürger da. Freie Bürger in einer globalisierten Welt müssen selbstbewusst frei sein dürfen – also keine Rettungspakete, sondern Grundeinkommen ohne Prüfung für den Puls der gesunden Wirtschaft, für den freien Bürger des 21. Jahrhundert.
Die Abgeordneten, die Morgen über das Rettungspaket-Gesetz abstimmen sollen, müssen sich gut überlegen, ob sie von dem Wähler zu Verabschiedung eines Ermächtigungsgesetzes ermächtigt worden sind. Die Demokratie ist das wichtigere Gut und lässt sich nur durch gerechte Verteilung erhalten und fördern. Wenn die Banken sich zu einer Krisengemeinschaft zusammenfinden, dann werden sie die Krise aus eigener Kraft regeln – oder der Staat muss ein regulärer Großaktionär der jeweils notleidenden Bank werden. Sonst stimmen die marktwirtschaftlichen und demokratischen Regeln nicht mehr und aus dem Bungee-Sprung wird unvermittelt ein Sprung in die Tiefe. An der Golden Gate Bridge haben sie gerade Netze für Suizidanten angebracht.
„…Wir würden heute weiterhin zurückhaltend agieren. Zusätzlich zur schwierigen Situation an den Börsen kommt der Umstand zum Tragen, dass heute zahlreiche Aktien- und Index-Optionen an den internationalen Terminbörsen verfallen (kleiner Verfallstag).
Aufgrund der guten Abendperformance werden wohl einige Aktien mit einem Gap-Up hereinkommen und so wird es aller Wahrscheinlichkeit nach auch heute nur gute Intradaychancen geben…“ (WERTPAPIERREPORT)
Merkel und Länderchefs einig über Milliarden-Rettungspaket
Bund und Länder haben sich beim Rettungspaket für die Finanzmärkte geeinigt. Die Länder sollen für die Rettung ihrer Landesbanken selbst aufkommen. Auch die Haftung von 35 Prozent bleibt. Der Länderanteil wird aber bei 7,7 Milliarden Euro gedeckelt.
Rettungspaket II – für die Industrie?
Das Rettungspaket für die Banken geht seinen Weg. Jetzt will die EU offenbar ein zweites Paket schnüren, um die Industrie zu stützen. Motor des ganzen soll Kanzlerin Merkel sein.
Flaute plus Finanzkrise – Steuern runter oder rauf?
Wirtschaftsminister Glos sieht für die Konjunktur 2009 schwarz und erwartet nur ein Wachstum von 0,2 Prozent. Um es anzukurbeln, will er die Steuern senken. Andere Politiker fürchten wegen der Finanzkrise aber eher höhere Steuern.
Kinder- und Wohngeld steigen
Kabinett beschließt Entlastungspaket für Bürger
Gabriel will Kühlschrank-Gutschein für Arme
Umweltminister stellt Energieeffizienzplan vor
Rezessionsangst bringt Börsen erneut zum Absturz
Dramatische Talfahrt in Asien – DAX im Minus
Verbraucher durch Finanzkrise auch entlastet
Preise für Öl und Nahrungsmittel sinken
Die fetten Jahre sind vorbei
von Peter Frey
Auch Politiker sind Menschen. Sie tasten sich voran, machen Fehler. Auch für sie sind die Summen, mit denen sie heute hantieren, Neuland. Vielleicht ist ihnen die Krise, die vor allem aus nach unten zeigenden roten Pfeilen besteht, sogar unheimlich.
Ackermann verzichtet auf Bonus
Angesichts der Finanzkrise verzichtet der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, auf seinen millionenschweren Jahresbonus. Er wolle ein Zeichen der Solidarität setzen. Nach Angaben der Bank schließen sich Ackermann andere Vorstandsmitglieder an.