„Essen, um zu leben, nicht leben, um zu essen!“
(Mahatma Gandhi, 1869-1948)
Insolvenzschutz für Banken
Pressemitteilung Der Fall Hypo Real Estate
Stand: 26.01.2009
Bundesfinanzministerium war frühzeitig informiert
report MÜNCHEN, heute Abend, 21.45 Uhr in der ARD
(München) – Das Bundesministerium der Finanzen war frühzeitig über mögliche Liquiditiätsprobleme der Hypo Real Estate Gruppe (HREG) informiert. Nach Expertenmeinung hätte deshalb das Finanzministerium über eine Weisung an die Bankenaufsicht BAFIN entsprechende Maßnahmen treffen und so das Ausmaß der Krise abschwächen können, das berichtet heute Abend das Politmagazin report MÜNCHEN (21.45 Uhr, ARD).
In verschiedenen Prüfberichten hatte die deutsche Bankenaufsicht BAFIN das Finanzministerium wiederholt auf riskante Finanzgeschäfte der irischen Depfa, eine Tochter der HREG hingewiesen. Im abschließenden Prüfbericht, der dem Finanzministerium am 18.08.2008 mitgeteilt wurde, weisen die Prüfer auf die kritisch anzusehende „umfangreiche kurzfristige unbesicherte Refinanzierung der irischen DEPFA Bank plc.“ und mögliche „schwerwiegende Folgen“ für deren Refinanzierung hin. Der Prüfbericht ist nicht öffentlich zugänglich und liegt report MÜNCHEN exklusiv vor.
Die Einschätzung der Bankenprüfer hält Prof. Udo Reifner vom Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen iff für einen klaren Hinweis auf die spätere Krise bei der Depfa: „Wenn die kurzfristige Refinanzierung plötzlich ins Stocken kommt, dann ist man insolvent. Natürlich ist das ein Alarm.“ Schon am 27. Februar 2008 reiste nach Recherchen von report MÜNCHEN eine Gruppe Bundesbanker der Außenstelle München im Auftrag der deutschen Bankenaufsicht für zwei Wochen nach Dublin. Deren Prüfberichte wurden beim Finanzministerium im zuständigen Fachreferat abgeheftet heißt es, auf Nachfrage von report MÜNCHEN an das Bundesministerium der Finanzen „aufgrund einer anfangs missverständlichen Information der Leitung durch die Fachebene“. Eine Befassung der Leitung des BMF sei nicht erfolgt.
Volker Wissing, FDP-Obmann im Finanzausschuss hält das für eine „totale Desinformation des Bundesfinanzministers“. Ein Land, wie die Bundesrepublik könne sich so etwas nicht erlauben so Wissing gegenüber report MÜNCHEN. Er hält es für absurd, dass „man erst die Deutsche Bundesbank nach Irland schickt, die DEPFA zu prüfen, dann dort große systemische Risiken feststellt, dieses dann dem Bundesfinanzminister mitteilt, und das dann angeblich abgeheftet wird. Selbst, wenn es so wäre, was ich für absolut unglaubwürdig halte, wäre das ein Skandal Sondergleichen, denn die Auswirkungen, und das ist doch das Ernste an der Sache, sind doch dramatisch für unser Volk.“ Durch die Pleite der US-amerikanischen Lehman-Bank am 15.09.2008 war die Depfa in massive Zahlungsschwierigkeiten geraten.
Eine Pleite des Mutterkonzerns HREG konnte bislang nur durch Finanzgarantien des Bundes in Höhe von 92 Milliarden Euro abgewendet werden.
Die erste Nachricht über diese Fast-Pleite hatte das Finanzministerium am 29.09.2008 veröffentlicht. Nach Recherchen von report MÜNCHEN ist das genau der Tag, an dem die Schadensersatzpflicht für Altgläubiger der aus der Hypovereinsbank hervorgegangenen HRE ablief. Die Geburtsstunde der Hypo Real Estate war der 29.09.2003. Für Schadensersatzansprüche nach dem Umwandlungsgesetz gilt eine Verjährungsfrist von fünf Jahren. Für den Finanzrechtsexperte Prof. Hans Peter Schwintowski drängt sich der Verdacht auf, „dass es nicht unbedingt Zufall ist, denn man hätte schon 2, 3, 4,5 Tage früher ebenso gut schon das Problem offen legen können. Es ist schon erstaunlich, dass man es ausgerechnet an de Tag tut, an dem diese Frist abgelaufen ist.“
Volker Wissing zeigte sich heute in Berlin empört: „Das sind wieder einmal entscheidende Fakten, die dem Parlament bisher vorenthalten wurden. Wir werden alle parlamentarischen Mittel, die uns zur Verfügung stehen nutzen, um Antworten auf die offenen Fragen zu bekommen.“
Auf Nachfrage von report MÜNCHEN zu diesem Stichtag, teilte das Bundesministerium für Finanzen mit: „Zur Frage, ob die Geschäftsführung der HRE der Öffentlichkeit möglicherweise bewusst Informationen zurückgehalten hat, kann das BMF – auch mit Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München gegen ehemalige Mitglieder der Geschäftsführung der HRE – nicht Stellung nehmen.“
(Zur Verwendung frei bei vollständiger Quellenangabe „report MÜNCHEN“.)
Entscheidung der Bundesregierung wendet Schaden ab
„In den letzten Tagen haben wir uns in Deutschland mit einem Fall beschäftigen müssen, der in der Tat Folge der weltweiten Finanzmarktkrise ist. Es ging darum, dass deutsche Banken und auch die Bundesregierung in einer Gesamtverantwortung dazu beigetragen haben – das haben beitragen müssen, in meinen Augen – Schaden von Deutschland abzuwenden.
Denn im Fall einer ungeordneten Abwicklung wäre nach übereinstimmendem Urteil ein erheblicher Schaden für deutsche Unternehmen und deutsche Arbeitsplätze entstanden. Und nicht nur in Deutschland, sondern auch darüber hinaus.
In den letzten Tagen hatten wir es mit einer Addition von Fällen in Europa zu tun die auch an uns Deutsche die Erwartung richtete, in dem selben Ausmaß auch politisch-staatlich behilflich zu sein, dass es nicht zu einem Zusammenbruch kommt.
Mir war sehr daran gelegen eine Lösung zu finden. Aber eine Lösung, an der der deutsche Banken- und Finanzdienstleistungssektor klar beteiligt ist.“
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück
zur Bürgerschaft für die Hypo Real Estate
am 29. September 2008.
Rettungsschirm statt Notbremse Der Fall Hypo Real Estate
Mit 92 Milliarden Euro stützt der deutsche Steuerzahler den angeschlagenen Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate und ein Ende ist nicht abzusehen. Was wussten die Verantwortlichen? Wie konnte es soweit kommen? report MÜNCHEN mit brisanten Unterlagen.
Von Sabina Wolf, Stand: 26.01.2009
Eine gigantische Rettungsaktion für die Hypo Real Estate. Mit 92 Milliarden Euro stützt der deutsche Steuerzahler die angeschlagene Bank. Der Tag, an dem die Krise mit voller Wucht ausbrach: der 29. September 2008. Der Finanzminister: Der Retter in der Not: „Es hat eine größere Rettungsaktion bisher in der Bundesrepublik Deutschland nach meiner Erinnerung nicht gegeben.“ Der Auslöser: Die Depfa Bank in Irland. Sie ist eine Tochter der deutschen Hypo Real Estate und droht nach der Lehman-Pleite die deutsche Mutter mit in den Abgrund zu reißen. Der Minister will keine Ahnung von den Schwierigkeiten bei der irischen DEPFA gehabt haben. Der Presse erklärt er: „Wenn eine Bank wie die Depfa in Irland in Schwierigkeiten gerät und ihre deutsche Mutter HRE in sehr ernste Schwierigkeiten bringt, kann die deutsche Bankenaufsicht überhaupt nicht eingreifen.“ Doch stimmt das?
Wir recherchieren in Berlin. Denn angeblich sollen in der Geheimschutzstelle des deutschen Bundestages Dokumente lagern, die das Gegenteil dessen beweisen, was der Finanzminister behauptet. Da die Abgeordneten des Finanzausschusses, über die brisanten Unterlagen nicht sprechen dürfen, nehmen wir Kontakt zu einem Kenner der Szene Kontakt auf, der die Dokumente von früher kennt. Bei einem Treffen übergibt er uns ein brisantes Papier. Es ist ein Bericht der deutschen Finanzaufsicht BAFIN über die Prüfung irischen DEPFA. Darin ist von einer als kritisch anzusehenden Refinanzierung die Rede, die für die Liquidität der DEPFA Bank schwerwiegende Folgen haben kann.
Diese Einschätzung der deutschen Bankenaufsicht hält Prof. Udo Reifner vom Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen für einen klaren Hinweis auf die spätere Krise bei der DEPFA: „Wenn die kurzfristige Refinanzierung,…wenn die plötzlich ins Stocken kommt, dann ist man insolvent. Ich denke die Aufsicht ist dafür da frühzeitig solche Alarmfaktoren zu berücksichtigen und wenn es hinterher schief geht, ist es zu spät wie wir ja jetzt wissen.“
Schon am 27. Februar 2008 reiste nach Recherchen von report MÜNCHEN eine Gruppe Bundesbanker der Außenstelle München im Auftrag der deutschen Bankenaufsicht für zwei Wochen nach Dublin. Die Warnung über Liquiditätsengpässe kommen auch beim Finanzministerium in Berlin an. Für den Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Finanzausschuss Volker Wissing ist das ein Riesenskandal: „Ich habe auch damals immer zu ihm gesagt, Herr Steinbrück, warum hat die BAFIN denn nicht versucht mit irischen Behörden Kontakt aufzunehmen, um doch eine Prüfung zu ermöglichen und er hat das als abwegig bezeichnet. Und genau das hat stattgefunden, d.d. h. es war eine totale Desinformation des Bundesfinanzministers.“
Später korrigiert sich Peer Steinbrück: Ja, der Prüfbericht sei beim Ministerium eingegangen, er habe ihn aber nicht gelesen, die Fachabteilung hätte ihn „abgelegt“. „Ich halte das für unglaubwürdig, weil sich ein Land, wie die BRD so etwas wirklich nicht erlauben kann, ich halte das für absurd, dass man erst die Deutsche Bundesbank nach Irland schickt, die DEPFA zu prüfen, dann dort große systemische Risiken feststellt, dieses dann dem Bundesfinanzminister mitteilt, und das dann angeblich abgeheftet wird. Selbst, wenn es so wäre, was ich für absolut unglaubwürdig halte, wäre das ein Skandal Sondergleichen, denn die Auswirkungen, und das ist doch das Ernste an der Sache, sind doch dramatisch für unser Volk.“
Wir recherchieren im Münchner Handelsregister weiter, denn angeblich sollen hier in Bezug auf die Verschleierung der Krise weitere Belege schlummern. Sämtliche Akten über die Hypo Real Estate lagern hier unten. Wir suchen Schriftstücke aus dem Jahr 2003. Das Gründungsjahr der Hypo Real Estate. Damals wurde das Immobiliengeschäft der Hypo Vereinsbank abgespalten und auf eine neue Bank übertragen, die Geburtsstunde der Hypo Real Estate. Unglaublich: Das entscheidende Datum: Der 29.09.2003.
Wir erinnern uns: am 29.09.2008, also genau fünf Jahre später, informierte Minister Steinbrück die Öffentlichkeit von der Krise bei der Hypo Real Estate. Ein Blick ins Umwandlungsgesetz offenbart: Für Schadenersatzansprüche gilt eine Verjährungsfrist von fünf Jahren. Finanzrechtsexperte Prof. Hans Peter Schwintowski bestätigt. Am Tag der Bekanntmachung der Krise war die Frist genau einen Tag abgelaufen. „Es drängt sich schon der Verdacht auf, dass es nicht unbedingt Zufall ist, denn man hätte schon 2, 3, 4, 5 Tage früher ebenso gut schon das Problem offen legen können. Es ist schon erstaunlich, dass man es ausgerechnet an dem Tag tut, an dem diese Frist abgelaufen ist.“
Auf die Frage, ob dieser Zusammenhang dem Finanzministerium bekannt war, heißt es heute, Zitat: …“ob die Geschäftsführung der HRE der Öffentlichkeit möglicherweise bewusst Informationen zurückgehalten hat, kann das BMF – auch mit Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München – nicht Stellung nehmen.“
Am Finanzplatz Frankfurt treffen wir den Juristen und Finanzexperten Prof. Karl-Joachim Schmelz. Den Zusammenhang hält auch er für äußerst pikant. Der Grund: Die Hypo Real ist eine Pfandbriefbank: Ihr Pfandbriefgeschäft ist ca. 250 Milliarden Euro schwer. Seine Befürchtung: Eine weitere Krise lag vergangenen September in der Luft: „Wenn die Hypo Real Estate zahlungsunfähig geworden wäre, hätte das bedeutet, dass alle Grundstücke, alle Grundschulden die in ihrem Geschäft zur Verfügung gestellt wurden als Sicherheiten, in die Vollstreckung hätten fallen können.“
Die Gespenster der Finanzmarktkrise: Volker Wissing will endlich die Wahrheit über die Hypo Real Estate: „Der Bundesfinanzminister muss die Fakten auf den Tisch legen. Es kann nicht hingehen, dass Milliarden Steuergelder eingesetzt werden, und wichtige Informationen hinter verschlossenen Türen verwahrt werden. Wir werden auch alle parlamentarischen Möglichkeiten nutzen, um diese Informationen zu bekommen.“
Der Steuerzahler hat ein Recht auf Antworten.