Sollen Kinderlose mehr zahlen?
Eine Gruppe junger Unions-Bundestagsabgeordneter fordert eine Sonderabgabe für Kinderlose, um die Sozialsysteme durch eine „solidarische Demografie-Rücklage“ zu stützen. Eine gerechte Maßnahme?
„3 Fragen an …“ den Sozialrichter Jürgen Borchert.
…“Wegen Ausfallzeiten und Teilzeitarbeit ist meine Rente viel niedriger als von kinderlosen Frauen. Ich habe aber künftige Beitragszahler erzogen. Das ist unsozial.“ …
…“Warum denkt man in Deutschland immer Richtung Strafe? Die Politik muss es attraktiv machen, Kinder zu kriegen und zu haben. Flexible Arbeitszeiten, flexible und vorhandene Kinderbetreuung, Unterstützung und Förderung der Kinder. … Das ist der richtige Weg. Nicht diejenigen bestrafen, die keine Kinder kriegen können und wollen.“… (ZDF.de)
Kinder sind in jedweder Richtung von emotionalen Zwiebelschalen umhüllt. Die Kinder-Frage im Zusammenhang einer gesellschaftlichen Entwicklung zu stellen, ist an sich nicht falsch. Seit Menschengedenken sorgen Kinder für das Überleben und bestehen der Menschengruppe. In Zeiten der Demographie-Entwicklung zu alternden Gesellschaft hin beginnen wir unsere Kinder zu zählen und uns zu fragen, ob deren Zahl für unser Überleben reicht. Verkürzt gesagt ist das wohl der statistische und emotionale Zusammenhang der gerade heiß laufenden Diskussion.
Die Überschrift „Solidaritätszuschlag Kinderlosigkeit“ kann aus verschiedenen Blickwinkeln gelesen werden. Im Tenor der von der Jungen Union aufgerissenen Diskussion dahin: Ist Kinderlosigkeit ein Solidaritätsbeitrag? Oder: Ist der weiterhin bestehende Solidaritätszuschlag der richtige Beitrag der Steuerzahler für die Lösung von sozialen Fragen? Der nächste Blickwinkel: Ist Solidarität in der Gesellschaft des 21. Jahrhundert überhaupt noch bekannt? (Zumindest bei Katastrophen wird sichtbar, dass der Überlebenswille/-instinkt alle Betroffene zusammenschweißt.) Und: Ist es nicht überhaupt eine Frage, wie wir für einander sorgen?
Auf jeden Fall. Wie sorgen wir denn für einander? Dass es ein Problem ist, sehen wir daran, wie an den Stellschrauben der Kranken- und Pflegeversicherung ständig manipuliert wird, damit die Hilfen bei den betroffenen Versicherten irgendwie ankommen. Das gleiche betrifft Schulen, Hochschulen und alle anderen Institutionen für die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Bildungs- und Wissensstand der Republik. Oder Arbeitsverwaltung, also die Verwaltung des nicht genutzten Arbeitspotentials der Gesellschaft.
Kinder zu haben oder zu bekommen kann nicht auf fiskalische Ebene reduziert werden. Es ist bezeichnend, wenn es getan werde, wie gerade wieder von der Jungen Union angestoßen, dann werden Kinder zum Handelsobjekt des steuerlichen Aufkommens degradiert. Also genau zu dem Status, aus welchem sich manche Eltern entscheiden, lieber keine Kinder zu haben, weil Kinder zum Zankapfel der Nachbarschaft, der Straße, der Gesellschaft werden können, sie machen Probleme, weil sie aufwendig sind und sie machen die Eltern unbeweglich. Und dann nicht zuletzt: Kinder bremsen die Risikobereitschaft der Eltern. Früher haben es Eltern genauer ausgedrückt: Ich weiß nicht ob Krieg oder Hungersnot kommen wird, besser keine Kinder in die Welt setzen. In dem Fall verhalten sich die Menschen wie die Bussarde, gibt es genug Mäuse, gibt es mehr Bussarde. Heute wird Risikobereitschaft als wichtiger Bestandteil von dem Profil eines qualifizierten Mitarbeiters bei der Bewerbung erwartet. Kinder wirken in solch einer Art Umschreibung der Flexibilität eher als Ballast.
Also muss man sich wohl entscheiden, will man den Ballast gleich haben, oder später bei fehlenden Rentenbeiträgen. So die Denke der Jungen Union. Das ist aber viel zu kurz gesprungen und spaltet die Gesellschaft in die Guten, die Kinder haben, und ich die schlechten, die keine Kinder haben. Und so geht es nicht. Ob jemand Kinder hat oder nicht, ist seine/ihre persönliche Entscheidung, in die niemand hineinzureden hat. Von der politischen Seite muss dafür gesorgt werden, dass Eltern nicht durch gesellschaftliche Mangelumstände daran gehindert werden, sich Kinder zu wünschen und zu bekommen. Eine soziale Planungssicherheit muss her, die zu der Gesellschaft des 21. Jahrhundert passt. Also auch dazu passt, dass wir insgesamt wohl weniger Bewohner werden und dass es sich, wenn die heute darüber schreibenden sterben werden, wieder ändern kann. Trotz aller Statistik lassen sich Generationen nicht so genau vorhersagen.
Was aber vorhergesagt werden kann, sind die Auswirkungen der bestehenden Steuergesetzgebung. Wir sind immer noch untransparent überreguliert. Es ist nicht die Frage der Kinderlosigkeit, sondern ob ein Steuerzahler jemanden zu Hause zu versorgen hat oder nicht. Diejenigen, die niemanden zu versorgen haben, die können sich mit einem Solidaritätszuschlag von 0,1% des Einkommens an der Daseinsbewältigung der Gesellschaft beteiligen. D. h. auch diejenigen, deren Kinder schon ausgewachsen und aus dem Hause sind, keine Betreuung brauchen, können sich wieder mit Solidaritätszuschlag beteiligen. Wenn später Eltern dazu kommen, die von dem gleichen Paar versorgt werden müssen, entfällt der Solidaritätsbeitrag wieder, weil die Solidaritätsleistung direkt aufgebracht wird. Und so kann aus dem Begriff Solidaritätszuschlag wieder eine flexible steuerliche Qualitätsgröße werden, die für alle Mitglieder der Gesellschaft nachvollziehbar ist.
Um solche elementare gesellschaftliche Steuerbetrachtung anstellen zu können, wäre es notwendig, dass der immer noch bestehende, nach dem Streuprinzip verteilte Solidaritätszuschlag abgeschafft werden muss. Stattdessen sind genauere Betrachtungsweisen notwendig, welche Solidaritätsbeiträge wären aus bestimmten Umständen der Gesellschaft und des Steuerzahlers erforderlich. In dem hier aufgerissenem Fall der Kinderlosigkeit geht es eben nicht um Kinder haben oder nicht haben, sondern darum, bin ich gerade in Betreuung von einem Angehörigen, Kind, Eltern usw. engagiert oder nicht. Wenn nicht, zahle ich meinen Beitrag für die Solidargemeinschaft der Bürger. Es wäre fatal, wenn wir das Prinzip der Solidarität aufgeben würden und uns bei jeder Sau, die gerade durch das Dorf gejagt wird zu neuen, aufstockenden Steuerbelastungen hinreißen lassen würden.
Wenn wir in Deutschland als reiches Land gelten, dann sicher nicht nur wegen unserer Wirtschaftkraft, sondern weil wir ein Abgabeland geworden sind, wo wir langsam anfangen müssen, die Abgaben zusammen zu zählen, damit wir wissen, was zahlen wir eigentlich unterm Strich alles, damit die Politiker genug Geld zum Regieren haben. Nur: Warum reicht es nicht, warum reicht es nie, warum müssen wir uns bei dieser Abgabenmenge immer noch als Staat verschulden?
Das sind die Fragen auf die wir Antworten suchen müssen. Meiner Meinung nach ist es die stark mangelnde Transparenz, die es schwer macht, Geld zielorientiert zu erheben und zu verwenden. Damit wären wir schon wieder bei dem Beispiel der aktuellen Krise: Wenn Griechenland noch nie eine funktionierende Steuerverwaltung gehabt habe und es trotzdem in den Jahrhunderten bis heute so lebt wie es lebt, dann kann es nur durch die Solidarität innerhalb der Familien gehalten worden sein und gehalten werden. Es zeigt sich aber, wenn sich verschiedene Systeme in einem System versuchen zusammen zu finden, dass sie sich auch widersprechen – es entsteht eine Situation wie jetzt: Ihr musst reformieren, damit ihr eine vergleichbare Untransparenz bekommt, wie wir sie haben und eure aufgibt.
Ein Trugschluss: Auf der gesellschaftlichen Organisationsebene wird man an den familiären Strukturen eines Gebietes oder der individuellen Entscheidung Einzelner nicht vorbei kommen können, sondern muss sie mit einbeziehen. Deshalb werden die Ergebnisse unterschiedlich ausfallen müssen, aber mit der Solidaritätsannahme, dass jeder Staat in die Lage kommen muss, für sich selbst zu sorgen. Kinder haben ist keine Solidarität sondern das Leben mit anderen Menschen zusammen.
Ernst Winkler beschreibt die aktuelle Lage sehr gut. Allerdings wird sich daran nichts ändern. Diejenigen die an den Kaptialkonzentrationen gewinnen werden Freiheit nur fordern, um die schwächeren Arbeitnehmer, Konkurrenten, etc. politisch und wirtschaftlich zu schwächen. Nur indem man die Konzentration von Macht und Kapital (das gilt auch für den Staat) drastisch vermindert, bzw. verteilt kann dieses Problem gelöst werden.
Die Lösung der Sozialen Frage
„Aus dem offenkundigen Versagen des historischen Liberalismus erwuchs die sozialistische Bewegung mit dem Ziel, die missbrauchten Freiheitsrechte einzuschränken zugunsten der Gesamtheit und besonders zugunsten der wirtschaftlich Schwachen. Diese Zielsetzung beruht jedoch auf einem Denkfehler; denn der historische Liberalismus versagte nicht, weil er zuviel, sondern weil er zuwenig Freiheit verwirklichte. Eine „freie Wirtschaft“ hat es im Liberalkapitalismus in Wahrheit nie gegeben, sondern nur eine vermachtete Wirtschaft: vermachtet durch Privatmonopole, durch den privaten Monopolbesitz von Grund und Boden und den Rohstoffen, durch das Geld- und Bodenmonopol, durch die Bildung von Syndikaten, Kartellen und Trusts. An die Stelle einer freien Konkurrenzwirtschaft trat die Herrschaft privater Wirtschaftsmächte, die durch ihre Maßnahmen weitgehend auch die Höhe von Preisen, Löhnen und Zinsen und damit das Wirtschaftsgeschehen insgesamt nach ihren Interessen bestimmen konnten.“
Dr. Ernst Winkler (Theorie der Natürlichen Wirtschaftsordnung)
Der Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ stammt von dem Freiwirtschaftler Otto Lautenbach, der im Januar 1953 die Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft (ASM) gründete. In enger Zusammenarbeit mit dem damaligen Wirtschaftsminister und späteren Bundeskanzler Ludwig Erhard sollte erstmalig eine „freie Marktwirtschaft ohne Kapitalismus“ verwirklicht werden. Im Juli 1954 verstarb Otto Lautenbach, die ASM zerfiel im Streit (eine Organisation gleichen Namens existiert heute noch, sie verfügt aber über keinerlei makroökonomische Kompetenz mehr). Für die makroökonomische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wurde ein von der so genannten „katholischen Soziallehre“ beeinflusstes Konzept von Alfred Müller-Armack übernommen, eine „sozial gesteuerte Marktwirtschaft“ (kapitalistische Marktwirtschaft mit angehängtem „Sozialstaat“), für die sich später der Begriff „soziale Marktwirtschaft“ einbürgerte.
Zwischen der Perversion, in der wir (noch) existieren, und der echten Sozialen Marktwirtschaft kann es keinen größeren Unterschied mehr geben:
http://www.deweles.de/files/soziale_marktwirtschaft.pdf
Wo wir heute vielleicht schon sein könnten, wäre die Natürliche Wirtschaftsordnung (echte Soziale Marktwirtschaft = Marktwirtschaft ohne Kapitalismus) bereits 1916 verwirklicht worden, kann bestenfalls erahnen, wer die „Großen Vier“ (Heinlein, Asimov, Lem, Clarke) vollständig gelesen hat. Wo die Menschheit aber heute wäre, hätte es die „heilige katholische Kirche“ nicht gegeben, sprengt jedes Vorstellungsvermögen:
http://www.deweles.de/files/himmel_auf_erden.pdf