Gesundheit pauschal


Wettbewerb im Gesundheitswesen ist zu Fuchsjagd der Lobbyisten mutiert

Im Moment läuft das, was im Gesundheitswesen seit Beginn der Gesundheitsreformen unter Seehofer angelegt wurde: die Kostenträger, Anbieter von Gesundheitsleistungen und die Administration der Kommunen sollen gegeneinander ausgespielt werden. Im Ergebnis bleibt jeweils etwas übrig, was dann als effektive und wirtschaftliche Versorgung genannt wird. Beschönigend nennt man den dahin führenden Prozess Wettbewerb.

Das deutsche Gesundheitswesen ist aber nicht nach dem Prinzip der freien Marktwirtschaft organisiert, sondern nach Pauschalen und Punktwerten. Weder im investiven noch im operativen Bereich gibt es realistische ökonomische Bedingungen. Das Gesundheitswesen wird dazu verdammt, sich selbst zu amputieren. Die Anbieter von Gesundheitsleistungen werden durch das bestehende System zu aberwitzigen Sparmaßnahmen gezwungen, die eine Gesundheitsförderung im Behandlungsbereich verhindern. Zusätzlich müssen aber neue Bereiche geschaffen werden, damit die erforderliche Bürokratie zur Durchführung der sog. Gesundheitsreformen geleistet werden kann. So werden aus dem Geld für Behandlung patientenfremde Leistungen generiert, neue Berufe außerhalb der Behandlungspfade etabliert. Damit wird auch verständlich, warum die Gesundheitsversorgung durch Gesundheitsreformen nicht günstiger, sondern vom Jahr zu Jahr teurer wird. Weltweit haben sich die DRGs nicht bewährt, werden aber stur weiter von den Regierungen durchgezogen. In Deutschland ist man mittlerweile dabei, diese Pauschale sogar für die Psychiatrie einzuführen, obwohl es dafür keine Notwendigkeit gibt. Die Psychiatrie hat seit 1990 durch die Personalverordnung gut berechenbare und patientenorientierte Prozesse. Durch die geplante Einführung der Pauschale auch in die Psychiatrie sollen die Vorteile der Psych-Personalverordnung beendet werden.

Trotz all dieser ungünstigen Voraussetzungen besteht für regionale, kommunale Verwaltungen weiterhin die Verpflichtung, die Versorgung zum Wohle der Bevölkerung zu regeln. D. h. zu planen, zu organisieren und im Alltagsbetrieb umsetzen, und dafür zu sorgen, dass die Kosten/Leistungen irgendwie nach Rechnung erstattet werden. Dabei erinnern die Vorgaben der bisherigen Bundesregierungen eher an eine Tombola, in der Bezugsmarken auf Gesundheitsleistungen ausgelost werden.

Die Planungen für eine regionale Versorgung können nicht an Gutachter vergeben werden, die Planungen müssen aus der Region kommen, die versorgt werden soll und will. In vielen Landkreisen bestehen gute Erfahrungen damit (Fremdenverkehr, Feuererwehr, Verkehr, psychosoziale Versorgung usw.), wenn Planungsgruppen der eigenen Fachleute, Gremien und Bürger zusammen etwas entwickeln, das Ergebnis lange Jahre bestand hat und ausbaufähig ist.

Was die Landkreise auszubaden haben ist, die schlechte Gesundheitspolitik von allen bisherigen Regierungen, die sie versuchen auszugleichen. Keine leichte Aufgabe, wenn die Kostenträger (Krankenkassen) nicht mitspielen und ihre Hauptaufgabe darin sehen, alles nur billiger zu bekommen. Die Kostensteigerung für Personalgehälter mit 1,5% anzusetzen kann nur dazu führen, dass Personal reduziert wird und immer weniger Menschen das Engagement aufbringen, im Gesundheitswesen / Krankenhaus arbeiten zu wollen. Die Medizin nach DRGs und ähnlichen „Punkten“ in Budgets fassen zu wollen ist keine ökonomisch gesunde Vorgehensweise, eignet sich aber gut dafür, die Anbieter von Leistungen ständig zu gängeln und eine pauschalierte Medizin am Ende zu bekommen. Auch hier regiert bei Regierungen und Kassen „Geiz ist geil“. Unterm Strich ist die Durchführung nach DRGs nirgendwo auf der Welt erfolgreich, sondern führt nur zu weiteren Kostensteigerungen, vor allem, weil die Durchführung selbst als neuer Kostenfaktor dazu gekommen ist und das ganze vom Jahr zu Jahr verteuert.

Zu Zeit werden Überschüsse der Krankenkassen und deren Verwendung diskutiert. Die Krankenkassen selbst mauern wie immer. Auf die Idee, Gesundheit produzieren zu helfen sind die Kassen außer mit ein paar Kursen noch nicht gekommen. Mit Budgetverknappung produzieren sie chronische Erkrankungen. Warum? Weil das ganze reformierte System drauf angelegt ist, dass die Patienten möglichst wieder kommen. Siehe steigende Fallzahlen.

Bis irgendeine Regierung endlich auf die Idee kommt, ein vernünftiges, leistungsfähiges und sowohl Patienten wie auch behandlungsorientiertes Gesundheitssystem zu entwickeln, müssen die Akteure vor Ort Lösungen finden, die es erlauben, deren eigene Region ohne Grabenkriege zu versorgen.

Hier helfen nur die Vorgehensweisen in Gruppenprozessen, wie z. B. nach dem Sensibilitätsmodell und systemische Betrachtungsweisen. Das Drehen an bestimmten, von Interessentengruppen und Interessentenvertretern in Gutachten definierten Stellschrauben bringt nur Nachteile. (Ganzheitliche Bearbeitung komplexer gesellschaftspolitischer Probleme. Das Sensitivitätsmodell unter besonderer Berücksichtigung der ‚inneren Sphäre‘ am Beispiel von ‚Gesundheit in der Stadt. U. Joss, Department Umweltnaturwissenschaften, ETH Zürich, Basel (2001); http://www.frederic-vester.de/deu/sensitivitaetsmodell/publikationen-projekte/).

Die Kommunalverwaltung kann die Planungshoheit wieder zurückgewinnen, wenn sie alle in der Region in den Planungsprozess einbindet. Und die Kostenträger müssen ihrem Wunsch „Django zahlt heute nicht!“ entsagen.

Die angehäuften Überschüsse müssen in die Versorgung zurück fließen. Vor allem im Personalbereich müssen die Mängel beseitigt werden.

Die Praxisgebühr muss abgeschafft werden. Sie hat die Häufigkeit der Inanspruchnahme von Arztpraxen nicht vermindert, sondern eher erhöht. Hier müssen andere Überlegungen in den Vordergrund. So ist es z. B. nicht einzusehen, warum Patienten die eine chronische Erkrankung haben und immer die gleichen Medikamente brauchen, für jedes Rezept die Arztpraxis aufsuchen müssen. Für diese Gruppe würde es reichen, wenn sie ein Jahresrezept bekämen, mit dem sie ihre Medikamente in der Apotheke immer wieder abholen können. Die Arztbesuche wären dann nur für geplante Kontrollen, bei interkurenten Erkrankungen notwendig und wenn Korrektur der Medikation erforderlich wäre (s. Schweden).

Gesetzliche Kassen 2011 mit vier Milliarden Überschuss

Polster von knapp zehn Milliarden Euro – Streit um Überschuss-Verwendung

Krankenkassen wollen Überschüsse nicht zurückzahlen

Druck aus Berlin – Krankenkassen für Stabilität

Welche ethischen Stil-Blüten die Protagonisten einer neoliberalen Gesundheitsökonomie vor sich her treiben – ein Beispiel aus Bayreuth:

Guttenberg, die Rhön-Klinikum AG und Sponsoring der Uni Bayreuth Am Donnerstag wurde be­kannt, dass Guttenberg Sponsor der Uni Bayreuth war, an der er bis 1999 studiert und von 2000 bis 2006 promoviert hatte. Wie Hans-Dieter Heck, Sprecher der Rhön-Klinikum AG der WAZ-Mediengruppe bestätigte, hat das Unternehmen von 1999 bis 2006 für einen neuen Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie an der Jura-Fakultät 747.764,36 Euro an die Uni überwiesen. Guttenberg hatte von 1996 bis 2002 einen Sitz im Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG. Seine Familie besaß dort Aktien.

Oberenders Organhandelvorstellungen finden sich auch:

Oberender und der Organverkauf SPIEGEL 2004 Eine völlige Legalisierung des Organhandels verlangt der Bayreuther Gesundheitsökonom Peter Oberender. Damit will der Professor den Mangel an Spenderorganen bekämpfen und gleichzeitig die Situation der Spender aus ärmeren Ländern verbessern.

[…]

„Jeder Mensch soll aus freien Erwägungen entscheiden, ob die Vorteile eines Organkaufs oder -verkaufs für ihn in einem opportunen Verhältnis zu den möglichen Nachteilen stehen“, sagte der Bayreuther Volkwirtschaftsprofessor im Interview mit „Focus Money“.

[…]

„Natürlich wird es sich nicht vermeiden lassen, dass Organe oft aus ärmeren Ländern stammen, wo Menschen durch ihre Lebensumstände eher bereit sind, zur Lösung ihrer existenziellen Probleme ein Organ zu verkaufen, als in reichen Industrieländern“, sagte der Wissenschaftler. Dies sei kein ethisches Optimum, aber „eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum Status quo“.

[…]

Der Volkswirtschaftler verlangte außerdem volle Transparenz in Bezug auf Preis und Qualität der Organe. Wer sein Organ verkaufen wolle, müsse, ähnlich wie heute ein Blutspender, bestimmte Eignungstests durchlaufen. Die Kosten dafür müssten auf den Preis für das Organ aufgeschlagen werden. Der Organhandel soll nach Oberenders Vorstellungen im Internet stattfinden und den Charakter einer Auktion erhalten. „Wenn etwa ein Organ angeboten wird, das für mehrere Empfänger in Frage kommt, muss natürlich auch der Staat oder die betreffende Krankenkasse mitbieten, um sozial schwächere Patienten an der Versorgung teilhaben zu lassen“, so Oberender. Am freien Handel mit Organen wie Nieren würde sich der Gesundheitsökonom allerdings höchstens als Käufer beteiligen. „Meine Nieren sind gegenwärtig unverkäuflich. Das Risiko ist mir zu hoch.“

 

thinktankgirl schrieb am 06.03.2011 um 12:36

Bei Spiegelfechter habe ich gerade diesen Kommentar gefunden:

Granado schrieb am 26. Februar 2011 at 05:49

Guttenbergs Fakultät wurde auch schon bekannt durch Plädoyer für Organhandel des “Gesundheitsökonomen” Peter Oberender, inzwischen emeritiert, aber noch mit Lehrveranstaltungen; auch für INSM aktiv.
www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/579402/drucken/
04.01.2007
Börsenhandel mit Organen?
Von Susanne Nessler
Organspenden gegen Geld sollten erlaubt sein. Das ist der Standpunkt von Peter Oberender, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Bayreuth.

www.heise.de/bin/tp/issue/r4/dl-artikel2.cgi?artikelnr=29088&mode=print
Organspendepflicht für ALGII-Empfänger[?]
Twister (Bettina Winsemann) 10.11.2008
Die Forderung des Bayreuther Professors Peter Oberender, Organhandel zu legalisieren, hat nur oberflächlich gesehen nichts mit einer Organspendepflicht zu tun

Bahr fordert Kassen zu Beitragsrückerstattung auf

Minister: Millionen Versicherte könnten profitieren

Praxisgebühr: Koalitionäre uneins

Weg mit der Praxisgebühr dank dicker Kassenüberschüsse? Diese Überlegung zumindest macht in der FDP die Runde. Beim Koalitionspartner sieht man das völlig anders.

Praxistest für die Koalition?

Die FDP denkt laut über ein Ende der Praxisgebühr nach. Der Begriff elektrisiert in etwa so wie die Idee von der Steuersenkung. Es geht um’s Geld, es geht fast jeden etwas an, kurz: ein populäres Thema. Nur: Die Union will nicht mitmachen.

Praxisgebühr: Koalitionäre uneins

Weg mit der Praxisgebühr dank dicker Kassenüberschüsse? Diese Überlegung zumindest macht in der FDP die Runde. Beim Koalitionspartner sieht man das völlig anders.

CSU-Chef Horst Seehofer hat sich kategorisch dagegen ausgesprochen, die Milliarden-Rücklagen in der gesetzlichen Krankenversicherung anzutasten und damit etwa die Praxisgebühr abzuschaffen oder die Krankenkassenbeiträge zu senken. Diese unter anderem auch vom Koalitionspartner FDP geführte Debatte sei „bizarr“, sagte Seehofer am Montag vor einer CSU-Vorstandssitzung in München dem Bayerischen Rundfunk. Schon nächstes Jahr im Sommer könne die Finanzlage der Krankenkassen schon wieder völlig anders aussehen. Deshalb gelte für ihn: „Hände weg jetzt von dieser Rücklage.“

Diskussion um Milliardenüberschüsse: Seehofer lehnt Abschaffung der Praxisgebühr ab – weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/diskussion-um-milliardenueberschuesse-seehofer-lehnt-abschaffung-der-praxisgebuehr-ab_aid_723295.html

Krankenkassen machen weiter Milliarden-Überschüsse

Zeitung: Auch 2012 und 2013 deutliches Plus

Die gesetzlichen Krankenkassen sowie der Gesundheitsfonds werden einem Zeitungsbericht zufolge auch weiter hohe Überschüsse erzielen. In der Koalition droht ein Streit über die Steuerzuschüsse an Krankenkassen.

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